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7. November 2000
 

Die Frau, eine Männerphantasie

Montemezzis «L'amore dei tre re» im Opernhaus Zürich

Zwei Wochen nach der Premiere von Richard Strauss' «Salome» hat das Zürcher Opernhaus «L'amore dei tre re» von Italo Montemezzi (1875-1952) zur schweizerischen Erstaufführung gebracht: ein weiteres Werk der Jahrhundertwende, ein Erfolgsstück sogar, doch eines voneinst. Seit dem Zweiten Weltkrieg figuriert Montemezzis Oper, die 1913, acht Jahre nach «Salome», an der Mailänder Scala uraufgeführt wurde, unter den Raritäten. Die Nachbarschaft mit einem kapitalen «Klassiker» könnte zur Gefahr werden. Im vorliegenden Fall aber wird sie fruchtbar, anregend und erhellend.

Zum einen entwickelt Montemezzis eklektische Tonsprache mit ihren Anklängen an Wagner und Strauss wie an den Impressionismus Debussys und die Melismen des Verismo eine eigene, suggestive Atmosphäre, die vom Dirigenten Marcello Viotti und dem hellwachen Orchester mit eminentem Sinn für raffinierte Koloristik und in optimaler Balance von rauschhafter Üppigkeit und minuziöser motivischer Feinarbeit zur Wirkung gebracht wird. Zum andern aber schärft die «Salome»-Nähe auch den Blick für das Frauenbild, das Strauss und Montemezzi beziehungsweise Oscar Wilde und Sem Benelli entwerfen, und da behauptet sich «L'amore dei tre re» als bemerkenswertes psychologisches Zeitdokument. Die drei Könige, die der Titel anführt, sind Archibaldo, Eroberer und Herrscher von Altura, Manfredo, Archibaldos Sohn, und Avito, rechtmässiger Prinz von Altura. Alle drei lieben sie Fiora, Manfredo als ihr Ehemann, dem sie aus politischen Gründen angetraut wurde, Avito als ihr Geliebter, Archibaldo in der uneingestandenen (Besitz-)Gier des alt und blind gewordenen Potentaten. «L'amore» meint also nicht so sehr ihre Liebe als vielmehr das Liebesobjekt, Fiora, die leidenschaftlich und verführerisch, kalt, falsch und untreu, tugendhaft und mitleidig, Ehefrau, Sphinx und Femme fatale in einem - und also eine Männerphantasie ist, eine Projektion männlicher Begierden, Ideale und Ängste.

David Pountneys Inszenierung zeigt dies deutlicher als Philippe Arlauds Bregenzer Inszenierung von 1998, denn sie geht von der konkretenPsychologie der Figuren, nicht von symbolistischen Bildern aus. Ästhetisch ist die Bühne von Johan Engels dennoch: ein grau-silberner Rundturm mit drei übereinander gestellten Säulenreihen, Treppen und (meist verschlossenen)Türen und Fenstern. Erst am Schluss erfährt dieser Raum eine Veränderung. Indem der Boden angehoben wird, öffnet sich eine Gruft, in der Fioras Leichnam auf einem Teppich rot-gelben Laubes aufgebahrt liegt: Der Turm gibt sich vollends als Mausoleum zu erkennen.

Atmosphärisch haben sich Pountney und Engels an D'Annunzios «Vittoriale» am Gardasee inspiriert, und die Uniformen verdeutlichen die Querbezüge zwischen decadentismo und Faschismus (die nordafrikanischen Kleidungsstücke der unterdrückten Einwohner von Altura spielen wohl auf den Abessinienfeldzug an). Die faschistoide Aura ist hier indessen kein modisches Klischee, sie rechtfertigt sich einerseits durch die Zugehörigkeit des Librettisten Benelli zum D'Annunzio-Kreis und steigert anderseits das Konfliktpotenzial der Oper. Macht ist darin ein zentralesElement, die Macht der Eroberer aus dem Norden über die Eroberten, repräsentiert durch Archibaldos doppelgesichtigen Diener Flaminio (Miroslav Christoff) und den am Schluss auftretenden Chor, vor allem aber die Macht des alt gewordenen Tyrannen Archibaldo, der sich nun auf sein privates Umfeld verwiesen sieht. Wie ein Schatten folgt er seiner Schwiegertochter, spürt ihre Untreue, versucht ihr den Namen des Geliebten abzupressen, indem er sie würgt - und als er sie tötet, befriedigt er nicht seine Rache, sondern seine sexuelle Lust.

Was folgt, ist Schauerdrama. Um Fioras Geliebten zu überführen, bestreicht Archibaldo die Lippen der Toten mit einem Gift. Doch nicht nur Avito, auch Archibaldos Sohn Manfredo und - bei Pountney folgerichtig - zuletzt Archibaldo selbst küssen Fioras Mund und hauchen an ihrer Leiche das Leben aus. Die Inszenierung spielt die Melodramatik dieser Schlussszene genüsslich aus, aber aufs Ganze gesehen konzentriert sie sich auf das Psychodrama, und dabei profitiert sie von einem faszinierend rollenkongruenten Protagonistenquartett. Samuel Ramey ist darin die absolut dominierende Figur, er beherrscht mit seiner intensiven Präsenz und mit seinem mächtigen, sonoren Bass, der sein charakteristisches Timbre über die ganze Spannweite der Partie bewahrt, das Geschehen und die Bühne. Stephan Pyatnychko entspricht dem Typus des schwachen, edel gesinnten Sohnes, der einer rätselhaften Frau verfallen ist, nicht nur äusserlich. Sein mit leidenschaftlichen Ausbrüchen und nuancierten Zwischentönen aufwartender Bariton macht Manfredo auch sängerisch zu einer interessanten Partie. Mehr stimmlich als darstellerisch erscheintAntonello Palombis Avito als gebrochener Charakter. Sein Tenor hat in der Höhe enorme Strahlkraft und Expressivität, verliert jedoch in den tieferen und leiseren Abschnitten an Substanz.

Paoletta Marrocu ist als Fiora äusserlich eine Idealbesetzung: schön, verführerisch, unfassbar. Ein wenig gesichtslos klingt auch ihr Sopran, dessen starkes, schnelles Vibrato zur Schärfe tendiert. Aber die Stimme hat in ihrer Schlankheit und Agilität durchaus Leucht- und Ausdruckskraft. - Die Bilanz dieses kurzen Premierenabends: ein interessantes Werk in einer schlüssigen Inszenierung und in exzellenter Besetzung.

Marianne Zelger-Vogt

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