FLORENCE VON GERKAN
Nach der Oper «Le Nozze di Figaro», deren Figuren in der ausgehenden Epoche des 18. Jahrhunderts angesiedelt waren, und «Don Giovanni», bei dem das höfische Ambiente gleichsam nur noch nebenbei zitiert wurde, vollzieht Florence von Gerkan mit ihren Kostümen zu «Cosi fan tutte» im Gleichklang mit der Enststehungszeit des Werkes den Schritt zur Wende ins 19. Jahrhundert. Eine schöne Setzung für den Schluss des Mozar-Da Ponte-Zyklus', der uns zum Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft führt und damit zu den Wurzeln unserer Neuzeit auch im Denken.
Die Französische Revolution leitete in der Geschichte der Mode ein neues Kapitel ein, in dem der Adel endgültig seine Trachtenprivilegien aufgeben und die Führung dem Bügertum überlassen musste. Unter der Volksherrschaft sollte die Kleidung erstmals den praktischen und ästhetischen Bedürfnissen des ganzen Volkes angepasst werden. Nicht mehr mit Samt und Seide, die man verächtlich den Lakaien und Anhängern des Hofes überliess, sondern mit Leinen- und Wollstoffen kleidet Florence von Gerkan Solisten und Chor ein, die Perücken weichen der natürlichen Haartracht, die Gesichter sind von Puder und Schöcheitspflästerchen befreit - alles steht im Zeichen der Natürlichkeit, und Standesunterschiede spielen keine Rolle mehr.
Don Alfonso - zynisch und progressiv zugleich und eine sehr moderne Figur - gleicht in seiner Kleidung den Studenten wie dem Chor; der schwarze Tuchrock - ehemals Bekleidung der unteren Schicht im Unterschied zu den pastellfarbenen Röcken der Adeligen - wurde zum Ehrenkleid des Bürgers erhoben. Höfische Formen schimmern in ihren Kostümen noch durch, doch sind sie der neuen bürgerlichen Mode anverwandelt. Die Stilrichtung ist einheitlich für alle; zur Charakterisierung der individuellen Eigenschaften dienen Form und Farbe. Vor allem bei den oft gleichgekleideten Schwestern war es Florence von Gerkan wichtig, deren unterschiedliche Temperamente herauszustreichen: Dorabella, spontan und begeisterungsfähig; Fiordiligi, das heissblütige südliche Temperament.