JÜRGEN FLIMM
«Dramma giocoso» war die Gattungsbezeichnung für Mozarts «Così» im zur Uraufführung gedruckten ersten Textbuch «Opera buffa» nannte Mozart diese Oper ir seinem «Verzeichnüss aller meiner Werke». Damit suggerierte er die Zugebörigkeit zu einer Gattung, die 1639 in Neapel - derr Handlungsort von Mozarts Oper - ins Leber gerufen wurde und sich von dort aus nach und nach die europaischen Bühnen er oberte. Die Handlungen dieser Opere buffe spielten mit den immer gleichen Elementer von Situationskomik - aberwitzige Intrige, groteske Verkleidung, ungelegene Ankunft, peinliche Entdeckung - und den immer gleichen Variationen von Treue und Untreue männlicher Eifersucht und weiblicher Unbestandigkeit.
Wohl weist Da Pontes und Mozarts gemeinsames Werk einige Verwandt schaft mit diesen Theaterstücken auf, doch Regisseur Jürgen Flimm scheinen die Parallelen zu den psychologisch fein motivierter Komödien von Pierre Carlet de Marivaux wesentlicher. Dieser wendet sich in sorgfältig konstruierten Handlungskonstellationer immer wieder der Frage der experimenteller Manipulierbarkeit menschlicher Beziehunger zu. Vor allem sein Einakter «La dispute» weist vergleichbare Voraussetzungen zur Wette in «Così» auf, indem mit einem Experiment um des Rechthabens willen fahrlassig das Schicksal zweier junger Paare aufs Spiel gesetzt wird. Doch während bei Marivaux zum guten Ende sich die richtigen Paare zusammenfinden, ist dem traditionellen lieto fine - so Jürgen Flimm - in «Così» nicht zu trauen: Am Schluss gibt es nur Verlierer, die durchlebte Desillusionierung bewirkt die Zerstörung aller Ideale.
Die im ersten Akt noch vorherrschende Sicherheit und Sorglosigkeit sowie der Spass an der Verstellung lässt sich - insbesondere bei Süditalienern - nur verstehen, wenn Ferrando und Guglielmo ihre Verführungskünste an der eigenen Verlobten erproben; bezeichnenderweise lässt das Libretto die Personenkonstellationen im 1. Akt weitgehend offen. Die Entscheidung für den jeweils anderen geht expressis verbis von den Mädchen zu Beginn des 2. Aktes aus. Sie sind keinesfalls nur von Männern gelenkte Marionetten, sondern entdecken über den anfänglich geplanten heiteren Flirt vielleicht bisher unbekannte Gefühle für den neuen Partner.
War die Situation im 1. Akt bedrohlich für die Mädchen, so wird sie es im 2. Akt für die Männer. Nachdem Don Alfonso und die ihm in puncto Lebenserfahrung in nichts nachstehende Despina schwerste Geschütze auffahren mussten, um das Experiment in Gang zu bringen, gewinnt es eine Eigendynamik, mit der alle Beteiligten zu rechnen haben, wenn die Fragilität und Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle auf dem Prüfstand stehen. Die oft berufene Symmetrie der Oper, die sich wohl auf die Handlung, nicht aber auf die Personenkonstellationen bezieht, erweist sich als gegenläufig, was auch in den Verwandlungen des Bühnenraumes seinen Niederschlag findet.