FERRUCCIO BUSONI

BRIEFE AN
HENRI, KATHARINA UND EGON PETRI


Mit Anmerkungen und einem Vorwort,
herausgegeben von Martina Weindel

ISBN 3-7959-0755-1

BRIEF VON 9.08.1907


Taschenbücher zur Musikwissenschaft 129, Florian Noetzel Heinrichshofen-Bücher, Wilhelmshafen, 1999, pp. 441 (40 lettere a Henri e Katharina Petri; 314 a Egon; 848 note in fondo al testo; 15 foto; bibliografia e indice dei nomi).

Zum Inhalt des Buches: Als ein Wegbereiter der Neuen Musik und einer der grössten Pianisten seiner Zeit gehört Ferruccio Busoni (1866-1924) zu den interessantesten Erscheinungen in der modernen Musikgeschichte. Bereits zu Lebzeiten bewundert für sein universelles Persönlichkeitsbild als Pianist, Komponist, Ästhetiker, Herausgeber, Bearbeiter und Schriftsteller ist der Italiener im Zusammenhang mit den heutigen multikulturellen Entwicklungen wieder von besonderer Aktualität.
Busonis Briefe an die Musikerfamilie Petri - im Zeitraum von 1888 bis 1923 verfasst und hier erstmals im Original veröffentlicht - vermitteln ein lebendiges Bild der Zeit und gewähren einen detaillierten Einblick in die vielgesichtigen Wesenszüge einer langjährigen Freundschaft, die insbesondere in der Korrespondenz an seinen "Lieblingsschüler" und "Eckermann" Egon Petri in Erscheinung treten.








An Egon Petri in Airolo <nachgeschickt von Worpswede>

<Auf der Adresse: durch Herrn Hermann Wilhel Draber. Abs. F. Busoni, bittet, den Brief an die richtige Adresse nachzusenden>

Liebster Egon. Deine Karte überraschte mich nicht im Mindesten, ja ich hatte - was sie sagt - die letzten beiden Tage empfunden, fast gewusst. Deine gesunde Natur und hohe Begabung werden Dich - wenn auch nicht so bald - doch sicher auf den richtigsten Weg führen. Das ist aber kein Grund, mir aus dem Wege zu gehen, und ich protestire dagegen mit aller Liebe, die uns zusammenhält. -
Was Du mir von B.[ernard] Shaw berichtest hat mich sehr angeregt, und es trifft sich, dass der 'Morgen' mit einer Publikation eines seiner Stücke: «der Liebhaben» [1] beginnt, welches mich wieder durch die unheimliche Menschenkenntnis und die glitzernde Virtuositit blendet. Dieser neue Eindruck und der Umstand, dass Shaw ein halber Musiker war (und ist?) brachte mich auf den Einfall, ihn zu veranlassen Etwas für Musik zu dichten. Er würde sicher, auch ohne Absicht, eine neue Wendung auf dem Musik Theater geben, und es könnte was daraus werden. Ich denke dabei an mich selbst für die Composition; nur kennt er mich garnicht, und wie ihn meiner Fähigkeit dafür überzeugen.
Du hast mit ihm gesprochen, vielleicht würde es Dir angenehm sein, - als Vermittler dieser Idee - ihm näher zu kommen. [2]
Ich adressire diesen Brief nach Worpswede, da Du leider )ede Kommunikation abgeschnitten hast. [3]

Grüsse mir Frau Mitta allerherzlichst.
Dein Dich sehr liebender
Ferruccio
9. Aug. 1907 <Berlin>


[1] Die Komödie «Widowers' Houses» (1892) des irischen Schriftstellers George Bernard Shaw (1856-1950) wurde 1907 von S. Trebitsch unter dem Titel Heuchler ins Deutsche übersetzt. 1911 änderte man den Titel des Schauspiels schiesslich in «Die Häuser des Herrn Sartorius oder Heuchler» ab (vgl. Beaumont: Selected Letters, S. 86; siehe dazu Anm. 151).

[2] Siehe dazu Anm. 151.

[3] Nach einem Vermerk von Hermann Draber auf dem Umschlag des Briefes hielt sich Petri zum angegebenen Zeitpunkt in Airolo auf (s. handschriftlicher Zusatz des Kopisten auf der maschinenschriftlichen Abschrift des Originals).