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Kultur  

08.04.2002 06:17

Dem Engelstanz fehlt die ordnende Hand

Stückwerk Heinz Spoerlis Ballett «. . . der Sonne Leuchten ist ihr Kleid» am Opernhaus Zürich

Von Engeln, diesen Boten zwischen den Welten, liess sich Heinz Spoerli bei seiner neusten Kreation inspirieren. Sie überbringen dem Publikum die Kernbotschaft vom Kampf zwischen Gut und Böse, die mit höflichem Applaus entgegengenommen wurde.

Marianne Koller

Der Stücktitel stand bereits im vergangenen Mai fest, als der neue Spielplan präsentiert wurde. Sonst nichts. Keine Geschichte, keine Musik, kein einziger Schritt. «. . . der Sonne Leuchten ist ihr Kleid» ist ein abgewandeltes Zitat aus einem Mariengesang: «Sie tanzen und singen, / Sind immer bereit. / Der Sonne Leuchten / Ihr Strahlendes Kleid.» Wer nun meint, sie - die Engel - würden das Publikum in eine lichte Ferne, in heitere elysische Gefilde entführen, sieht sich getäuscht; findet viel eher einen düsteren Hades vor, aus dem es für die armen verdammten Seelen kein Entrinnen gibt.

Die gefängnisähnliche Situation unterstreicht das Bühnenbild von Florian Etti. Am linken und rechten Bühnenrand befindet sich je ein (von den meisten Plätzen schlecht sichtbares) Stahlgerüst, auf dessen Balustraden ab und zu Wächter patrouillieren. Den Bühnenhintergrund schliesst eine Halfpipe-artige Wand ab.
Diese Wand versuchen die Bewohner der «Unterwelt» immer wieder zu erklimmen, zu überwinden und sich via darüber befindliche (Himmels-)Treppen in eine vermutlich bessere Welt zu retten. In der Regel gleiten sie jedoch ab, rutschen in den Herrschaftsbereich des dämonisch-brutalen Höllenfürsten (Michael Rissmann) zurück, der mit seinem schwarz-blauen schwingenden Mantel an Batman erinnert.
Etwas Rettung naht in vielerlei Gestalt. Da gibt es den grün bemantelten Juan Eymar, den braun gewandeten Iker Murillo und den weiss berockten und behosten Dirk Segers. Er ist am erfolgreichsten. Einerseits ermöglicht er einer Frau (Karine Seneca) die Flucht über die Mauer, andrerseits findet nach seinem Einsatz der Höllenfürst ein unrühmliches Ende.
Diese Haupthandlung lässt sich mit viel gutem Willen aus einer Fülle von Erzählelementen herausdestillieren. Da wäre etwa noch eine «Glühwürmchen»-Einlage zu Bibers Passacaglia für Solovioline zu erwähnen, in der die Tänzer in Leuchtkostümen (Claudia Binder) mit eingewobenen gebrochenen Glasfasern stecken, sowie ein fulminanter Showtanz des ganzen Ensembles zu Adams «Lollapalooza». Gemäss Programm spielt dabei «der Himmel zum Tanz auf» und bei den «Glühwürmchen» herrschen «Versunkenheit und Selbstbetrachtung». Das klingt recht gut, ist auch hinreissend getanzt und besonders in den Gruppenszenen wirkungsvoll choreografiert. Dennoch wirken diese Einsprengsel irritierend in einem ohnehin heterogenen Gefüge.

Imposante Einzelteile

Und daran krankt der ganze Abend. Spoerli präsentiert zweifellos viele Tanzstile, viele Ideen, öffnet viele Assoziationsräume. Darin wird er durch die atmosphärische Musik des jungen Esten Erkki-Sven Tüür, des «Hauptkomponisten» des Abends, unterstützt. Hinzu kommen einige «Frühe Lieder» von Alban Berg, tadellos vorgetragen von Liuba Chuchrova, sowie Werke der Postminimalisten David Lang und James MacMillan unter der souveränen Leitung von Christoph König.
Was all den imposanten Einzelteilen jedoch fehlt, ist eine ordnende Hand, die sie zu einem luziden Ganzen fügt. Aber offensichtlich entlehnte man nicht nur den Titel aus dem erwähnten Mariengesang, sondern noch eine weitere Strophe: «Symbole und Namen / Sie geben nichts preis. / Die Engel verschweigens / Sie schliessen den Kreis.»

Weitere Vorstellungen: 21./25. April, 4./5./9. Mai. Vorverkauf 01 268 66 66.