Zürich zaubert
Der Kommentar
von Manuel Brug
Selbst die reiche Bayerische Staatsoper muss Premierenfedern
lassen - obwohl sie das Opernhaus mit den meisten Vorstellungen, dem höchsten
Refinanzierungsgrad und der höchsten Auslastung in Europa ist! Da wird verkleinert,
ausgeliehen, auf PR-trächtige Namen wie Doris Dörrie gesetzt.
In Berlin ist die Reputation der drei öffentlich verstrittenen
Opernhäuser so schlecht, dass die Besucherzahlen (außer bei der standortbevorteilten
Lindenoper) richtig im Keller hängen. An der Komischen Oper hat man die desaströs
misslungenen Inszenierungen des "Vogelhändlers" und von "Peter Grimes" abgesetzt.
Die Britten-Oper, anderswo ein Hit, wollten in sechs Vorstellungen teilweise
nicht einmal 180 Besucher sehen.
Hier sind Reformen dringender denn je. Kultursenator Flierl
hat bis zum 24. Juni Konkretisierung angekündigt, Christina Weiss ist nicht
untätig, zwingt die Intendanten an einen gemeinsamen Tisch. Dringend scheint
wenigstens imagefördernde PR: ein Spielzeit-Eröffnungsfest aller drei Häuser
oder eine gemeinsame "Traviata"-Nacht mit den drei Verdi-Inszenierungen an
einem Abend plus Bus-Shuttle zwischen den Akten.
Dann freilich kommen wieder unglaubliche Meldungen von der
Oper Zürich: 15 Premieren! Da rotiert der Laden bis zur Weißglut, aber er
läuft - dank dreier Probebühnen, Kulissengrundbau und Chorkostümeanfertigung
im Osten. Und dank eines Intendanten wie Alexander Pereira als Mischung aus
Striese, Hanswurst, Sponsorenschmeichler, Unternehmer und Impresario. Der
bereits an den Lehrplänen eines Intendantenstudienganges sitzt, um dieses
Wissen professionell weiterzugeben.
In der nächsten Saison gibt es in Zürich "Elektra" mit von
Dohnányi / Kusei und "Rosenkavalier" mit Welser-Möst / Bechtolf sowie ein
Alte-Musik-Rennen zwischen Marc Minkowski (macht mit Laurent Pelly "Les Boréades"
von Rameau) und William Christie (Händels "Radamisto" mit Klaus Guth). Lehnhoff
inszeniert die "Meistersinger", Harnoncourt und Flimm lassen Offenbachs "Großherzogin"
moussieren, Pountney inszeniert Zemlinskys "Kreidekreis", Salieris "Axur"
wird exhumiert, Matthias Hartmann gibt sein Operndebüt mit der "Verkauften
Braut".
Und wie kommentieren offenbar verwöhnte lokale Medien? "Neue
Spielzeit ohne Überraschungen." Schweizer Opernsorgen möchte man haben.
Artikel erschienen am 22. Mai 2003
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