MARIA STUARDA

von Gaetano Donizetti

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«In my end is my beginning? In meinem Ende ist mein Anbeginn». Diesen Wahlspruch hat Maria Stuart, Königin der Schotten, in ihr Wappen einsetzen lassen. Die Geschichte hat ihr recht gegeben, denn sie, die den Tod als Märtyrerin für ihren Glauben und als Zeichen des Sieges über ihre Kerkermeisterin, Elizabeth I. von England, auf sich nahm, siegte in den Augen der Weltöffentlichkeit.
Maria Stuart wurde am 8. Dezember 1542 als Tochter König Jakobs V. von Schottland und dessen zweiter Frau, Maria von Guise, geboren. Bereits wenige Tage später wurde sie als Nachfolgerin ihres Vaters zur Königin erhoben. Sie wuchs in Frankreich auf und wurde 1558 mit dem französischen Thronfolger verheiratet, der 1559 als Franz II. den französischen Thron übernahm, jedoch bereits ein Jahr später starb. Maria kehrte daraufhin nach Schottland zurück. Obwohl Katholikin, erkannte Maria die von Protestanten geführte schottische Regierung an. Zum leitenden Minister berief sie ihren Halbbruder Jakob Stuart, den sie wenig später zum Earl of Moray ernannte.





1565 heiratete Maria ihren Cousin, den katholischen schottischen Adligen Lord Henry Darnley. Neben der zunehmend katholisch geprägten Politik der Königin stiess diese Heirat bei den Protestanten auf Protest und war das Signal für einen Aufstand des Earl of Moray, der von Marias Getreuen jedoch innerhalb kurzer Zeit niedergeschlagen wurde.
Wenig später überwarf sie sich mit ihrem Gemahl Darnley: Maria hatte ihm den Königstitel verliehen, doch er forderte die Krone auf Lebenszeit und, falls die Königin ohne Nachkommen sterben würde, den Übergang der Krone auf seine Erben.
Marias engster Vertrauter und Berater wurde indessen David Rizzio, ein italienischer Musiker, der im Gefolge des Herzogs von Savoyen nach Schottland gekommen war. Darnley und die schottischen Lords waren empört darüber, dass ein Emporkömmling ihnen vorgezogen wurde und zettelten gemeinsam mit Darnley eine Verschwörung an, die in der Ermordung Rizzios 1566 gipfelte.
Seit Morays Aufstand stand der Earl of Bothwell hoch in der Gunst der Königin. Anfang 1567 liess er Darnley ermorden. Von einem Scheingericht wurde er freigesprochen, und nachdem er sich von seiner Frau hatte scheiden lassen, heiratete er Maria Stuart. Dass eine Königin dem Mörder ihres Mannes das Ja-Wort gab und womöglich gar selbst im Vorfeld von dem Attentat Kenntnis hatte, war mehr, als die öffentliche Meinung im 16. Jahrhundert ertragen konnte. Der Papst, Spanien und Frankreich? alle ihre Verbündeten wandten sich von Maria ab. Die Schotten rebellierten, Bothwell ergriff nach kurzem Kampf die Flucht. Maria Stuart wurde als Gefangene nach Edinburgh gebracht und dankte am 24. Juli 1567 zugunsten ihres Sohnes Jakob VI. ab. Nach zehneinhalb Monaten in Gefangenschaft in Loch Leven gelang es ihr zu fliehen und innerhalb weniger Tage ein 6000 Mann starkes Heer aufzustellen.





Am 12. Mai 1568 besiegte Moray bei Langside in der Nähe von Glasgow Marias Truppen. Maria suchte bei ihrer Cousine, Königin Elisabeth I., Zuflucht, wohl in der Hoffnung, Elisabeth würde sie aus monarchischer Solidarität unterstützen. Elisabeth liess sie jedoch unverzüglich in Haft nehmen, wohlwissend, dass die katholischen Herrscher Europas und ihre eigenen katholischen Untertanen nicht sie ? Elisabeth, sondern ihre Cousine Maria als rechtmässige Königin Englands ansahen. Nachdem die Ehe Heinrichs VIII. mit Anne Boleyn für ungültig erklärt worden war, wurde Elisabeth von vielen Zeitgenossen als uneheliche Tochter angesehen und als Protestantin vom katholischen Teil Europas angefeindet.
Maria wurde jahrelang gefangen gehalten, und englische Katholiken strengten zahlreiche Verschwörungen an, um Maria zu befreien und ihr Zugang zum englischen Thron zu verschaffen. Nachdem man 1586 eine erneute Verschwörung gegen Elisabeth aufgedeckt hatte (Babington-Verschwörung), wurde Maria der Mitwisserschaft angeklagt und zum Tode verurteilt. Am 8. Februar 1587 wurde Maria Stuart auf Schloss Fotheringhay enthauptet.
Das Schicksal Marias fand seit dem Ende des 16. Jahrhunderts immer wieder Eingang in die Literatur, so z.B. in Adrian de RoulersO «Stuarta Tragoedia» (1593), Tommaso Campanellas Drama «Maria Stuarda» (1598), Joost van den Vondels «Maria Stuart of gemartelde Majesteit» (1646), in Walter Scotts «The Abott» (1820), in Stefan Zweigs biographischen Roman «Maria Stuart» (1935), nicht zuletzt aber in Friedrich Schillers Trauerspiel «Maria Stuart» (1800), das die Vorlage für Gaetano Donizettis Oper liefern sollte.
Schiller war am Anfang des 19. Jahrhunderts in Italien noch weitgehend unbekannt. Seit 1819 gab es eine italienische Übersetzung gesammelter Werke von Pompeo Ferrario. Die Übertragung der Dramen von Andrea Maffei, die Giuseppe Verdi für seine Schiller-Opern benutzen sollte, erschien jedoch erst 1842-1852. Für Donizetti und seinen jungen Textdichter, den gerade 17jährigen Jura-Studenten Giuseppe Bardari, war die «Maria Stuart» ein idealer Opernstoff, der mit der gleichen Freiheit behandelt werden konnte wie die historischen Dramen und Romane anderer Autoren, aus denen die Opernpoeten sonst schöpften. Das Eigengewicht der Vorlage und die literarische Bedeutung Schillers spielten für sie eine untergeordnete Rolle.
Dem jungen Librettisten, den Donizetti wahrscheinlich nach Kräften unterstützt hat, ist es gelungen, die Handlung für die Oper wesentlich zu straffen. Er reduziert die Anzahl der Personen aus Schillers Dramenvorlage: Mortimer, der jugendliche Liebhaber, und der Gefängniswärter Paulet werden gestrichen, selbst der für den 3. Akt unverzichtbare Priester wird eingespart, indem Talbot kurzerhand die Rolle des Beichtvaters Melvil übernimmt.
Leicester, bei Schiller ein undurchdringlicher, stets zögernder Charakter, der sowohl bei Elisabeth wie auch bei Maria seinen Vorteil sucht, wird in der Oper zur eindeutigen Figur. Er übernimmt die Rolle des Liebhabers der Maria, der, wenn auch nicht offen, so doch zielstrebig um ihre Rettung bemüht ist.
Mit Ausnahme von Cecil, der systematisch die Beseitigung der Stuart betreibt, leisten alle anderen Figuren der schottischen Königin Beistand. Dennoch wahrt Giuseppe Bardari in seinem Libretto das Gleichgewicht, und er stellt Elisabeth nicht als ausschliesslich negativ gezeichnete Widersacherin, sondern ebenfalls als eine würdige, glanzvolle Erscheinung dar. Donizetti stand nun ein ausgewogenes Ensemble von einem Sopran (Maria), einem Mezzosopran (Elisabetta), einem Tenor (Roberto), einem Bariton (Cecil) und einem Bass (Talbot), ergänzt durch die Ensemblerolle der Anna, zur Verfügung.
In seiner Musik zeigt Donizetti, wie perfekt er das grundlegende melodische Vokabular der Romantik beherrscht. Besonders interessant sind die Melodien, in denen er auf Giuseppe Verdi vorausweist. Elisabeths Eingangsphrase im Sextett des 2. Aktes, «E sempre la stessa», wird leicht verändert in Leonoras «Miserere» im «Trovatore» wieder auftauchen, während das gesamte Sextett in seiner Anlage offensichtlich Vorbild für ein ähnliches Ensemble in «Nabucco» ist. Zum dramatischen Höhepunkt der Oper gestaltet sich die berühmte Begegnung der beiden Königinnen. Statt ein konventionelles Duett zu schreiben, ordnet Donizetti hier die Musik der Dramatik der Situation unter und hält die gesamte Szene in einem expressiven Arioso-Stil. Diese Episode darf als Vorbild für weitere berühmte Opern-Auseinandersetzungen wie die zwischen Aida und Amneris, Gioconda und Laura oder auch zwischen Adriana Lecouvreur und der Fürstin gelten. Im Larghetto der Beichtszene Marias, «Quando di luce rosea», baut Donizetti in der Melodie durch harmonische Fortschreitungen ein breites emotionales Spektrum auf, das von Reue bis zu einem letzten Augenblick der Verzückung reicht. So verleiht er der Gefühlswelt seiner Protagonistin überzeugenden Ausdruck. Was ihre Aufführungsgeschichte betrifft, stand Donizettis 46. Oper unter keinem günstigen Stern. Schon vor der geplanten Premiere am Teatro San Carlo in Neapel hatten sich die beiden Hauptdarstellerinen, Giuseppina Ronzi de Begnis als Maria und Anna Del Serre als Elisabeth, eine veritable Schlacht geliefert, als sie auf einer Probe völlig die Kontrolle verloren und die Begegnung der beiden Herrscherinnen für einen erbitterten Privatkampf nutzten. Bei Marias Ausruf «Vil bastarda» vergass die Del Serre ihre Rolle, nahm den Text wörtlich und wurde tätlich, worauf die Ronzi ihre Rivalin zu Boden schlug und auf sie einprügelte. Nach der Generalprobe vor geladenen Gästen, unter denen sich auch die Königin von Neapel befand, wurde Donizetti mitgeteilt, dass «Maria Stuarda» verboten und alle Aufführungen abgesetzt seien. Im Bemühen, aus der Not eine Tugend zu machen, ging Donizetti hastig an eine Überarbeitung seiner Musik, während Pietro Salatino einen neuen Text mehr oder weniger gewaltsam anpasste. Aus «Maria Stuarda» wurde auf diese Weise «Buondelmonte», der am 18. Oktober 1834 seine Uraufführung erlebte.
Eine Produktion der Mailänder Scala im Dezember 1835 versprach grösseren Erfolg, hatte man die Titelrolle doch mit Maria Malibran, der berühmtesten Sängerin ihrer Generation, besetzt. Bei der Premiere am 30. Dezember 1835 litt sie allerdings unter einer Indisposition, und so geriet die Vorstellung zu einem Fiasko ? «quälend von Anfang bis Ende», wie Donizetti in einem Brief an einen Freund schreibt. Bei den Folgeaufführungen war die Malibran dann offenbar in besserer Verfassung, doch nun verlangte die Zensur Änderungen: Maria durfte Elisabeth nicht mehr als «vil bastarda» beschimpfen und sollte in der Beichtszene mit Talbot nicht mehr niederknien. Für die Malibran waren diese Veränderungen nicht akzeptabel, und so spielte man an den folgenden Abenden den ersten Akt von «Maria Stuarda», in dem Maria nicht auftritt, in Kombination mit dem zweiten und dritten Akt aus Rossinis «Otello», was jeder dramaturgischen Logik entbehrte. 130 Jahre sollten nach diesem Debakel vergehen, ehe Donizettis Oper wieder an der Scala zu hören war.
Entgegen einer weit verbreiteten Meinung verschwand «Maria Stuarda» nach 1836 allerdings nicht völlig von den Spielplänen der Opernhäuser. In leicht veränderter Form hörte man sie 1837 in Reggio Emilia und in Modena und 1840 in Ancona. Bevor man das Werk 1865 in einer der Originalfassung angenäherten und neu instrumentierten Form in Neapel spielte, hatte es ein Dutzend Produktionen in Italien, Spanien und Portugal gegeben. Erst eine disaströse einzelne Vorstellung am Teatro San Carlo in Neapel im Jahre 1866 setzte der Aufführungsgeschichte der «Maria Stuarda» ein vorläufiges Ende. Fast hundert Jahre sollten vergehen, ehe sich 1958 in Donizettis Geburtsstadt Bergamo der Vorhang für die erste «Stuarda»-Vorstellung im 20. Jahrhundert hob. Es folgten Inszenierungen in Stuttgart, Florenz, New York, Edinburgh, London und Neapel mit so gefeierten Protagonistinnen wie Leyla Gencer, Montserrat Caballé, Joan Sutherland und Beverly Sills als Maria sowie Shirley Verrett, Huguette Tourangeau und Eileen Farrell als Elisabetta.