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Erwin Piplits

MAGAZIN OPERNHAUS ZÜRICH

[© Magazin Opernhaus Zürich. Testo pubblicato
con il consenso scritto della direzione della Dramaturgie]

 

Zu Beginn ihrer Arbeit suchen Regisseur und Bühnenbildner Erwin Piplits und Ulrike Kaufmann jeweils die Idee, den zusammenfassenden Gedanken, welcher der Inszenierung als Bogen dienen kann. Bei «La Damnation de Faust» war dies die Aufforderung des Theaterdirektors aus dem Vorspiel zu Goethes «Faust»: «So schreitet in dem engen Bretterhaus/Den ganzen Kreis der Schöpfung aus»: Eine konkrete Aufforderung, die aber schon ein beschwörendes Element enthält, denn den Schöpfungskreis ausschreiten bLedeutet ja, einen magischen Akt zu vollführen. Zwei Ebenen, eine reale und eine geistige, das historisch Erfassbare und das Inkommensurable andeutende, und gleichzeitig eine Lösung, welche die zahlreichen Schauplatzwechsel fliessend ineinander übergehen lässt: Eine Bretterkonstruktion zeigt Innen- und Aussenräume, aber auch die beiden Ebenen der Realität und des Darüberhinausgehenden. Dieser räumlichen Idee werden in den Szenen, wo Faust oder Marguerite träumen bzw. ihren Utopien nachspüren, bekannte Malereien zitierende Schleier hinzugefügt, symbolisch für das klare und das «eingetrübte» Sehen - die immer wieder auftretenden Situationen der Selbsttäuschung, der Loslösung von der Wirklichkeit. Auch der Ritt in den Abgrund ist Teil dieser Täuschung, denn Faust reitet nicht, wie er meint, zu Marguerite, und auch den Pakt hat er, von Mephisto schlau dazu verleitet, nur bedingt freiwillig unterschrieben.
Der Chor wird dabei als neutrales, kommentierendes Element eingesetzt, der nur selten aktiv in das Geschehen eingreift. Faust ist mitleiderregend in seiner unfertigen Gestalt. Ihm fehlt die Selbsterkenntnis bzw. -kenntnis, und so wird er stets von äusseren Einflüssen gelenkt. Die Teufelsfiguren in der Literatur scheinen Erwin Piplits eigenartig: Verdorben zwar, doch stets auch moralisch - sie verführen zum Bösen, doch statt mit dem Opfer über seine Lasterhaftigkeit zu frohlocken, bestrafen sie es dann, lassen es in der Hölle schmoren, Ein dualistisches Bild scheint daher einleuchtender: Mephistopheles nicht als reine Verkörperung des Bösen zu verstehen, sondern als Kombination von zwei Prinzipen, die ständig schillern: des luciferischen (lichttragenden) und des sozusagen animalischen, zerstörerischen.
Fausts Aufgabe besteht somit darin, die dazwischen anzustrebende Balance zu finden. Er müsste die beiden Prinzipien erfahren, sie wahrnehmen und erkennen, was heisst,
durch Arbeit an sich selbst die Balancefinden. Dazu müsste er aber auch lernen, auf die bei Goethe letztendlich durch das «Ewigweibliche» verkörperte Weisheit zu vertrauen, versäumt dies aber aus Egosimus. Aus dem gleichen Egoismus heraus kennt Faust auch seine eigene Liebesfähigkeit nicht, fühlt sich Marguerite gegenüber nur schuldig, was Mephisto wiederum ausnützt, um Faust die Unterschrift «freiwillig» abzuringen. Marguerite aber, die er einzig aus einem Traum kennt, stellt seine weiblichen Aspekte, die Seiten Fausts dar, die ihm selber noch unbekannt sind und nach denen er sich im Unbewussten sehnt.