Ferruccio Busoni
DER MÄCHTIGE ZAUBERER

Mysterium.
Einer Novelle des Grafen von Gobineau
szenisch und musikalisch nachgedichtet,


[...]Come Wagner, infatti, Busoni schizzò parecchi progetti di opere teatrali, più o meno compiuti nel testo. Alcuni di essi rimasero sepolti fra le sue carte (come il curioso libretto originale del 1909 per un'operetta intitolata Frau Potiphar, che l'autore stesso giudicava «assai indecente») o furono pubblicati postumi (come le tre scene abbozzate nel 1912 per un libretto ispirato alla novella di Villiers de l'Isle-Adam Das Geheimnis (Il segreto), e apparse nei «Blätter der Staatsoper Berlin» nel novembre 1924). Altri libretti arrivarono a vedere la luce, ma furono abbandonati ancor prima di iniziarne la composizione musicale, vuoi per il sovrapporsi di diversi, più pressanti impegni, vuoi perché di difficile, se non impossibile, messa in musica. Fra questi spicca sicuramente Der mäcktige Zauberer (Il mago possente), un libretto che Busoni aveva tratto nel 1905 da una novella del conte Joseph Arthur von Gobineau e fatto pubblicare nel 1907 presso l'editore triestino Carlo Schmidl, insieme con quello della Sposa sorteggiata e con l'Abbozzo di una nuova estetica della musica. Lo sfondo di questo «poemetto teatrale per musica» («Mysterium» lo definì l'autore) è già in tutto e per tutto busoniano ed è ben reso dal motto, già, come vedremo, profetícamente e tragicamente faustiano nell'anelito all'«ultima parola», da esso preso a prestito per l'epigrafe premessa al saggio teorico: «Che cercate? Dite! E che aspettate?' - 'Non lo so; io voglio l'ignoto! Ciò che mi è noto è illimitato. Io voglio saperne ancora. L'ultima parola mi manca.» In esso ritroviamo infatti l'attrazione fortissima per l'elemento magico e per quello soprannaturale (l'azione, che si svolge in Persia nella notte dei tempi, è tutto un susseguirsi di eventi fantastici, grandiosi e irreali), ma anche un certo eccesso didascalico e pseudofilosofico, quasi che l'autore avesse voluto compendiarvi in una forma scenico-musicale emblematica le sue idee sul teatro e sulla musica.


Handelnde Personen:
Kassem
Amyneh
Ein Derwisch
Die Nachbarn

Ort der Handlung: Persien.

Ein musikalisches Vorspiel illustriert das Volkstreiben am großen Fastentage, zur Zeit des Sonnenunterganges. Sobald der Vorhang aufgeht, klingt die Musik plötzlich wie aus großer Entfernung. Die Szene stellt die steinerne Eingangshalle im Hause Kassems vor. - Die Einrichtung deutet auf Wohlstand und Geschmack. Teppiche, chinesische Vasen, Divans. Den Hintergrund bilden drei Bogen, von welchen die beiden größeren ganz offen sind und auf die Terrasse führen. Der dritte, kleinere Bogen ist das Haustor. Dieses steht ebenfalls offen und geht unmittelbar auf die Straße. In der Entfernung die Silhouette der Stadt mit Kuppeln und Minareten; über dieser glühende Streifen von Himmel und Dünsten, kurz nach Sonnenuntergang.


Amyneh

(unruhig allein, eine Laute in der Hand)

- Und Kassem kommt noch nicht - !
Längst ging die Sonne nieder
Der Fastentag beschloss -
Und Lieb' ist ungeduldig! Fast
Lieb' ich ihn zu sehr doch kann ich anders?

(Zur Laute)

«Ich bin ein armes Lämpchen nur
Ein dämmerndes in dunkler Nacht;
Du bist die lichte Morgenpracht
Aufstrahlend im Azur.
Du strahle nur, du prange nur!
Wie wohl vor deinem Angesicht
Des armen Lämpchens Auge bricht,
Ich bebe nicht, ich bange nicht;
Du leuchte nur,
Und ich vergehe gern in deinem Licht.«

(Kassem ist eingetreten)

Amyneh
Mein Kassern! -

Kassem
- meine Amyneh!

Amyneh
Endlich kehrest du wieder. Hast du auch
An mich gedacht -?

Kassem
(sichtlich zerstreut) Wie immer.

Amyneh
Und hast dich nicht beeilt -?

Kassem (etwas ungeduldig) - Noch strahlen
Des Sonnenunterganges letzte Gluten
- und ich bin hier.

Amyneh
Und bist du ganz bei mir?

Kassem
Dir kann ich nichts verbergen, scheint's,
Nein, Amyneh - ich bin nicht wie ich sollte.

Amyneh
Was bedrückt dich und zieht dich ab
Von unsrer Liebe, sag'

Kassem
Ein seltsames Begegnen -

Amyneh
erzähl's mir!

Kassem
Du wirst nichts Sonderliches an ihm sehen -

Amyneh
Erzähl' es Kassem.

Kassem
Nun so höre -

Ich trieb mich wie jedermann vor der Moschee
Mit Fasten und mit Nichtstun
Das erlösende Erlöschen des Tages abzuwarten;
Es ergötzt' mich Aus dem Gewirr der Menge
Bald dieses, jenes Einzelbild zu sondern. [Hier die gespielte Verzückung eines eitlen Eiferers - Dort die groteske Ungeduld eines hungrigen Frommen - (Zuweilen traf ich auch auf wahre Andacht)]
- 's ist ein Schauspiel
Halb Gottesdienst, halb Maskentreiben,
Wie's sich alljährlich wechselnd wiederholt.

In mir waren die Sinne laut geweckt
Und auf der Lauer nach neuen Reizen

(Kurze Pause)

Als ein Derwisch, - dürr wie eine Klippe,
Schwarz wie ein Ratte, verbrannt an tausend Sonnen,
Fast nackt am Leibe, auf dem Kopfe
Ein Waldgestrüpp von widerspenstigem Haare -
Flammenden Blickes,
Verwildert, hart und streng, -
Zwei Schritte vor mir hielt.
Er sah so fremd und ungewöhnlich,
Daß mein gebannter Blick sith nicht abwandte.
Ich frug mich: wer ist Dieser?
Er trägt sich wie ein König, und scheint erwählt
Ein Heer zum Strausse zu führen,
Und nicht auf Heerstraßen umherzufahren.
Da traf sein Aug' das meine, und der Strahl
Sprang mir wie ein Biss ins Herz!

Amyneh
Gewiß ein heil'ger Greis, von harter Buße
Fast entkörpert.

Kassem
Du glaubst -?

Amyneh
Kassem, du fieberst.

Kassem
(unruhig) Und einmal
Schien's mir gar als ob er folgte -

Amyneh
Kassem! Das lange Fasten
Hat dich erschöpft und du bedarfst der Ruhe.
Komm, stärke dich, mit Schlaf und Imbiß.

Kassem
Doch vorerst
Laß mich nur kurze Zeit allein,
- daß ich mich wiederfinde.

Amyneh
(unschlüssig, im Abgehen) Du kommst bald nach -?

Kassem
Ich folge
Fast auf dem Fuße dir, doch, jetzt
(trüb lächelnd) Amyneh, geh'!
(Die Dämmerung bricht immer tiefer herein. Er bleibt ein wenig in Gedanken, dann leise zu sich selber sprechend:)

Kassem
Wer, wer, - wer kann er sein?!
Der Gott der Bettler? Denn etwas Göttliches
War an dem Menschen -
Vielleicht auch Teuflisches -
Und meine Seele hielt er in den Händen
Wie eine hohle Kugel voller Schrot,
Das schüttelt er jetzt wirbelnd durcheinander!

(Er faßt sich an den Kopf)
(Kurze Pause)

Nein, nein, das lange Fasten tut's,
Sie hatte Recht, Amyneh -
Am Ende ist's nur ein gemeiner Fakir,
Sie sind so zahlreich wie der Sand der Wüste,
Man stolpert über sie auf jedem Wege
(gefaßter, weicher)
Men,- Weib hab' ich nur kühl begrüßt,
Ich muß versuchen, es nun gut zu machen

(atmet erleichtert, erhebt sich)

Und schliessen wir das Tor.

(Als er sich zur Tür wendet, steht in dem Rahmen derselben, wie in einer Nische und sie ganz ausfüllend, die Gestalt des Derwisch. Die Erscheinung muß still, groß, überraschend und fast übernatürlich wirken. Kassem schreit leise auf.)

Der Derwisch
(sanft, milde)
Das Heil sei mit Dir!

Kassem
(mit Überwindung)
Und mit Euch Heil und Segen!

Derwisch
Ich bin wie deine Herrlichkeit sieht, Nichts
Als ein elender Bettler, weniger
Als ein Schatten, dem Dienste
Des Göttlichen ergeben. Als Fremder komm' ich
In diese Stadt, - und wenn du über Nacht,
Sei's auf dein Dache, sei's im Stalle, oder
Wo es dir sonst gefällt! - als Gast imich duldest:
Ich werd's dir dankei.

Kassem
Ihr verwirret mich.
Tretet herein; - nehmt meinen besten Platz!

Derwisch

(tritt ein, sich verneigend)

Ich bin, gestatte, daß ich's wiederhole,
Nichts als ein ganz geringer Derwisch; ein Hund!
Und minder noch als Staub
Unter den Augen deiner Herrlichkeit.
Einem solchen
Geziemt's nicht zu mißbrauchen deiner Gnade.

Kassem
mir erweist ihr Gnade Wenn ihr euch setzet -

(Sie lassen sich mit Umständlichkeit nieder)
Tee und Rauchzeug werden
Sogleich gebracht -

Derwisch
(abwehrend) Laß'! ein läng'res Fasten
Ist mir gewohnt und heilsam. Deine Güte
Umflutet mich und labet wie ein Bad.
Aus Dank dafür erfahre, wer ich bin. -

Dekkan, von Indiens Reichen eins der mächtigsten,
Ist meine Heimat. Dort ward ich
Des Königs Freund und seines Staates Führer.
Was Menschen schätzen,
Fiel mir zu in Fülle,
Ich konnte wählen in Kostbarkeiten
Und wählen unter Schönheiten,
Ich erfuhr die Sättigkeit des Reichtums
Und die Lästigkeit des Weibertums,
Und der Ueberfluß
Ward mir zum Überdruß.
Wie ich den achte -
Betrachte! -

Da mied ich den Palast der Eitelkeiten,
Den Pfeil des Eifers richtet' ich nach innen,
Weiser zu werden und auch wissender.
Und als allmählich ich
Die letzte Würdigung des Würdelosen,
Das mich umgab,
Wie Schutt von mir geworfen,
Die Torheit von der Tür gejagt,
Verließ ich alles, - und kroch in die Felsen.
Einsam wie ich nun lebe,
Von jeglichem entblößt, künde ich dir dennoch
Eine gewalt'ge Wahrheit: fasse sie!
Der lump'ge Teufel
Der vor dir steht - unähnlich einem Menschen
Er besitzet die Welt!

(sieht Kassem mit Überlegener Autorität an)

Kassem (verwirrt)

Gelobt sei Gott!

Derwisch
(immer wachsender und herrischer)
Nein! nein, mein Sohn, du glaubst nicht!
glaubst mir nicht!
Die Macht in deinen Augen zeigt sich anders
Mit Sammt und Gold, mit Pferden und Gefolge!
Du denkst darin, wie jeder andre denkt.
Wisse denn, Zweifelnder! Manches, das Sterblichen
Gilt als Unmögliches,
Einfach zu lösendes
Rätsel ist's mir!
Ein Beispiel hier! Ergreife dies Gelenk
Und fühle nach dem Schlage meines Herzens.
Was sagst du?

Kassem (etwas verblüfft)
Euer Blut pocht regelmäßig.

Derwisch (leiser) Geduld!

(Er scheint seine ganze Kraft auf die Aufgabe zu konzentrieren)

Geduld! Bald hört es auf zu schlagen.

Kassem (höchst überrascht)
Was sagt Ihr da! Kein Mensch vermochte das!

Derwisch (lächelnd)
Ich tue es jetzt - -
(Der Pulsschlag wird immer schwächer und hört endlich gänzlich auf)

Derwisch
Wenn du befiehlst erwacht das Leben wieder.

Kassem
So laßt's gescheh'n!

(Nach wenigen Sekunden kehrt der Schlag leise zurück und
erreicht wieder seine normale Intensität)

(Kassem sieht den Derwisch mit Bewunderung und Schrecken an)

Derwisch

Ich hab' dich überzeugt
Dessen, was ich vermag über mich selbst: nun zeig' ich
Dir meine Hehschaft über die Materie.
Laß bringen ein Gefäß mit glühenden Kohlen.

(Ein Kohlenbecken wird auf ein Zeichen Kassems herein getragen. Der Derwisch scheint sich angestrengt zu sammeln seine Miene verrät die äußerste Energie, der Schweiß bricht aus dem verzerrten Gesicht hervor; plötzlich, wie von einer Feder geschnellt, streckt er den Arm aus und , taucht die geballte Faust in die Kohlen. Kassem schreit auf. Der Derwisch erwidert mit einem Lächeln. Er zieht nach wenigen Minuten die Hand unversehrt heraus.)

Derwisch
's ist nicht alles! Meinen Körper
Habe ich erst vor dir bezwungen;
Ihm die herrischen Elemente
Sich zu fügen dann erzwungen:
Merke nun was ich vermag
Über Menschen, alle Menschen
Den gesamten Menschenschlag!

(Er spricht dies mit großer Verachtung wie eine Beschimpfung aus, so daß Kassem immer verwirrter wird. Der Derwisch beachtet es nicht und fährt fort)

Derwisch
Verschaffe mir unedeles Metall,
Sei's Eisen oder Blei.

(Man bringt ein Dutzend Gewehrkugeln, die der Derwisch ins Feuer wirft und er facht es mit seinem Atem an. Der Schein desselben wird weißglühend; bald darauf zieht er eine leuchtende Goldstange daraus hervor.)

Derwisch (mit Ruhe)
Es ist getan.

Kassem
Das blitzt wie Gold! Ihr schuf't das Blei zu Gold!

(Die Schleiergewebe des Orchesters lösen sich in einen hellen Dreiklang auf, der über dem Haupte des Derwisch zu schweben scheint. [Drei Trompeten auf dem Theater in der Höhe])

Derwisch (mit sieghaftem Ausdruck)
So herrsch' ich über Menschen! Ist's genug?
Du siehst, die Macht liegt nicht im äuß'ren Glanze,
Sie birgt sich in den Tiefen starker Seelen,
Das ist's, was der Gemeine nie erfährt.
Doch nun nicht mehr davon.

Kassem(flehend mit bewegter Stimme)
Ach nein, mein Vater,
Ihr sehet mich beglückt Euch hier zu Füßen,
Verschließet nicht die Quelle meinem Munde,
Davon er wen'ge Züge erst geschlürft.
Sprecht weiter! Sprecht. Belehrt mich, stärket mich,
Daß mir die Klarheit werde, wie zu handeln.
Ich werde tun nach Eurem Gebot!
(Dringender) .
Ich will es tun. Was es auch sei, ich tu's.

Derwisch (nach kurzem Bedenken)
Ist deine Kraft so groß als der Entschluß.
So bist du würdig - (die Stimme senkend)
Höre denn, geheime Wahrheiten
Tu' ich dir auf. Und dreimal sieben Schleier
Zerreißen - Tief in unmeßbarer Ferne
Dämmert der Kreis, der alles schließt in sich - -

(Die Rede wird immer leiser und eindringlicher; langsam fällt ein dichter und dichterer Schleier über die Szene - die Musik führt den Faden fort und geht über in die folgende Stimmung.)
(Als der Schleiervorhang sich bald wieder hebt, ist der Derwisch verschwunden, die Kohlen sind erloschen, Kassem sitzt eingeschlafen. Es ist Morgendämmerung. Amyneh tritt besorgt ein, kniet neben Kassem und erweckt ihn mit einem Kusse.)

Amyneh
Bist du krank, meine Seele? Sprich, warum
Lagst du nicht bei mir diese Nacht? - Ihr Heil'gen
Er ist wohl krank! Was fehlt denn meinem Leben?
Was sprichst du nicht zu deiner Sklavin, sag'.

Kassem (gibt ihr den Kuß zurück)
Der Segen über dich.
Gott sei gelobt! Ich bin nicht krank.

Amyneh
O Glück!

Kassem
Nein, ich bin wohl.

Amyneh
Was gab's, seit ich dich ließ
Mit jenem fremden Derwisch?

Kassem
Er erzählte
Von seinen Reisen viel, es wurde spät -
(aufstehend)
Wo weilt der Gast? Ich muß ihn dringend sehen -

Amyneh
Noch hatt' der Morgen
Die neue Sonne nicht geboren, da
Sah ein Sklave ihn beim Brunnen, kauernd
Am Boden, in Gebet versunken.
Er wusch sich, speiste weniges und ging.

Kassem
Wie, er ist fort? Noch tausend wicht'ge Dinge
Hatt' er zu sagen -

Amyneh
Er ist fort.

Kassem
Unmöglich!

Amyneh
Was hast du für Gemeinschaft mit dem Manne?

Kassem
(runzelt schmerzlich und nachdenklich die Stirne. Kurze Pause,)
Amyneh
Du weißt, wie ich dich liebe und ob jemals
Zwei Seelen größ're Zärtlichkeit vereinte,
Ich glaub' es nicht - mein Herz schlägt nur für deines.
Nun aber blutet es, da es sich anschickt
Seinen Gefährten zu betrüben.

Amyneh
Was willst du? Was bedeutet das?

Kassem
Ich sage dir, Amyneh, jedem Menschen
Wird sein Schicksal zuteil. Ihm wird's bestimmt
Vor der Entstehung und es harrt bereit
Bei seiner Ankunft. Ob er's widerstrebend,
Ob willig nimmt, er muß darin sich schicken.

Amyneh
Das leuchtet mir wohl ein. Jedoch dein Teil ist
So schlimm zu tragen nicht.
Zum Stirnerunzeln gibt er wenig Anlaß.
Ich bin dein Teil und manchmal, mehr als einmal,
Oftmals sogar hattest du schön beteuert,
Daß du dir keinen anderen wünschtest.
Kassem (lächelt, sogleich wieder ernst) Amyneh, sieh, mein Schicksal ist: auf immer
Dich zu verlassen und noch heut zu reisen!

Amyneh
Auf immer? Mich verlassen? - Nun, ich will nicht!

Kassem
Noch will ich's selbst. Jedoch mein Schicksal wills. Einen Weg wies mir der Derwisch,
Ich muß ihn gehen.

Amyneh
Barmherz'ger Gott! Ich werde wahnsinnig
(sie ringt die Hände, Tränen treten aus ihren Augen. Sie packt Kassem beim Arm.)
So sprich doch, rede, wohin führt der Weg?

Kassem
Zu ihm, dem Derwisch.

Amyneh
Was bedarfst du seiner?

Kassem
Er ist mir unentbehrlich, ich bin's ihm.

Amyneh
Sage denn alles! Ach, mein Gott, mein Gott
Ich werde toll! Vollende, mein Geliebter,
Mein Kind, mein Leben, sprich!
(Sie fassen sich ergriffen an den Händen und bleiben so
während des Folgenden.)

Kassem
Alles vermag er, alles,
Erstaunliche Beweise
Gab er von seiner Macht.
Nur eine Frage wehrt ihm die Lösung,
Nimmer fänd er die Antwort allein.
Seit Jahren späht er
Nach dem Gefährten,
Nach dem Geweihten,
Der ihm verhelfe
Zum höchsten Werke.
Die ganze Erde
Hat er durchwandert,
Nirgends gefunden
Entschloss'nen Sinn.
Gierige Herzen,
Trage Gesinnung,
Flach flatternder Seelen,
Frostiger Eifer
Traten entgegen ihm,
Wo er auch wandelte.
Untrügliche Zeichen,
Die er beschrieben
Wiesen ihn sicher
Auf Einen hin;
Wo dieser weile
Blieb ihm verhüllet,
Ihm zu begegnen
Hofft' er gewiss.
Er sah mich gestern, sprach zu mir, erschloss mit
Sein ganzes Herz - erleuchtete das meine!
(Mit Begeisterung)
Mich trifft die Wahl! Ich bin der Auserkor'ne,
Ich bin der Schlüssel zum geheimen Tore
In seiner Hand - ich bin bereit! Ich folge!

(senkt den Kopf, darauf mit fester Stimme)

Amyneh
Und was mit mir?

Kassem
Mit dir! Wie soll ich's sagen,
Ich lieb' dich mehr als, alles in der Welt,
Doch eine Macht bezwingender denn Liebe
Reißt mich mit sich fort und von dir hinweg.
(Mich treibt nicht Ruhmsucht, nicht Begierde,
Der Drang allein, der Gottheit mich zu nähern,
Der heißt die Liebe mich mit Füßen treten;
Sie achzet auf --- bald schweigt sie, schwindet endlich
Wie Schatten vor dem allgewalt'gen Willen).
Ich muß gehorchen. - Wenn ich wiederkehre -
Doch ob ich wiederkehre, wer kann's sagen,
Wer weiß, was aus mir wird!

Amyneh (schnell)
Und kehrst du wieder,
Bist du dann mein?

Kassem
(Mit Warme)
Nur,dein, einzig der Deine und auf immer!
Doch fraglich ist's, daß du mich wiedersiehst,
Was ich beginne, liegt in Finsternis
Besser wir scheiden -

Amyneh
Nein, ich werde warten
Ein ganzes Jahr, zehn Jahre, bis zum Tode
Ja, hörst du, bis ich sterbe - und der Tod
Wird sich beeilen, wenn du selbst nicht lebst. Ich geh' zu deiner Schwester, meine Eltern
Meid' ich - daß sie den Gram mir nicht anmerken - Bei deiner Schwester findest du mich wieder
Und bald - so bald als du nur irgend kannst -
Nicht wahr, du kommst zurück -?

Kassem (überwältigt)
Ich schwör' es dir!
Geschieht es nicht, dann weißt du -

Amyneh (unterbrechend)
Nein, Geliebter
(bestimmter) Ich weiß, daß ich dich wiedersehe.

Kassem (ausbrechend)
Amyneh, meine Amyneb, Vielgeliebte,
Habe ich bisher gewußt, was du mir bist?
Habe ich geahnt, ich könnte dich verlieren?
Verlieren dich, Amyneh.
Dürfte das jemals sein?

Amyneh
Es wird nicht sein.
Sei ruhig, ich bin da, bei deiner Schwester.
Ich werde mutig sein - und mich gedulden -
Ich habe Mut zu der Geduld -
Und - Kassem - meine Liebe wird dich schirmen -
Lege noch einmal
Dein Haupt in meinen Schoß. (Es ist heller Tag.)

(Die Liebenden verweilen kurze Zeit so vereint. Sie steht zuerst entschlossen auf, klatscht in die Hände und ruft:)

Amyneh
Sklaven, Bussul, Hussein, Abduraman,
(Sie erscheinen) Räumet das Haus, packt Alles ein,
Ladet es Maultieren auf, bringet es eilig
Zur Schwester eures Herrn! -
- - Kassem, leb' wohl.

(Sie hüllt sich in ihre Schleier, er begleitet sie zur Türe, sieht ihr lange nach und begibt sich nachdenklich in das Innere des Hauses. Ein Zwischen-Vorhang fällt und öffnet sich bald darauf. Inzwischen ist die Halle geleert und still geworden. In der Mitte derselben steht ein Scheiterhaufen. Aus diesem schlagen nun die Flammen immer stärker und höher empor, so daß das Feuerbild, in der Ruhe seiner Umgebung, einen feierlichen und großen Anblick gewährt.)

Die Nachbarn
(sammeln sich neugierig vor der Tür, einzelne wagen sich über die Schwelle.)
Was giebt's .- Was mag es geben? - leer das Haus - die Frau ist fort - sie lief über den Platz - am Gange erkannte ich sie - sie schien - erregt - wo weilt der Mann? - Er blieb im Haus - er kommt wohl noch - was hat er vor? - Was dient das Feuer? - Warten wir ab. - Ach! - (Stille.)

(Kassem, in der Ausstattung eines Derwisch. Auf dem Arm hält er seine kostbaren Kleider, die er ruhig in das Feuer legt als Zeichen seiner Entsagung, Darauf betet er laut.)

Kassem
Gott ist groß - er ist unendlich - ist allmächtig -
er liest in der Seele der Menschen - er lenket ihre Wege -- löscht ihre Zweifel - entzündet ihre Flammen - senket die Erkenntnis in ihre Herzen - er ruft mich - Gott ist groß! - Er allein ist weise - unsere Weisheit sein Wille - freut euch mit mir - danket dem Höchsten - Allah, Allahl!

Die Nachbarn (mengen ihre Rufe dazwischen.)
Der Herr schütze ihn - die Heiligen beschirmen ihn - die Propheten begleiten ihn - Der Segen sei mit und über ihm - Kassem verläßt uns - unser Bruder wendet sich weg - weh! - Heil! -

(Kassem tritt hinaus, ein Zwischenvorhang fällt.)

(Die Musik fährt fort und beschreibt Kassems Wanderung durch die Wüste. Zuerst klingt sie leicht., heiter, vertrauensvoll und entschlossen. Der Gedanke an den Derwisch nimmt immer größeren und deutlicheren Ausdruck. Er erreicht fast einen Höhepunkt, als ganz leise und innerlich die Erinnerung an Amyneh zu erwachen beginnt. Sie wächst und gewinnt die Oberherrschaft. Kassem schreitet immer fort und der Schritt erklingt wieder gefestigter, doch hat die Stimmung ihre ganze Heiterkeit eingebüßt. Die Marschbewegung geht unaufhaltsam weiter, die inneren Rufe des Derwisches, die sich häufen, verleihen ihr den Trieb (Chor hinter dem Vorhang). , Ab der Vorhang aufgeht, sitzt der Derwisch in einer Grotte, und beschreibt mit einem Stabe Zeichen auf dem Boden.

Derwisch (ohne sich beim Eintritt Kassems umzusehen) Hoch sei der Höchste droben gepriesen;
Seinen Dienern verlieh er die sichere Gabe
Des Unerwarteten gewärtig zu sein.
Tritt näher, mein Sohn. Es war vorausgesehen,
Daß du in dieser Stunde solltest kommen.
Du kommst, nun bist du da.
Schön ist dein Eifer, deine Reinheit Ist mir gewiß; dein Herz erhoben;
Die Zeichen tragen nicht,
Sie tragen mich über den Zweifel.
Und dennoch, Hindernisse - unerklärbar
Recken sich feindlich zwischen mir und dir.

(Er vertieft sich in seine Zeichen. Kassem nähert sich. ihm seine Hand zu küssen, von ihm unbeachtet.)
Kassem
Mein weiser Meister -

(endlich sieht Ihn der Derwisch scharf an.)

Derwisch
Die Stunde ist da.
Wir sind am Ort,
So laß die Arbeit uns beginnen, Hoffen wir alles, wie's auch kommen mag.

Kassem
Was sucht ihr? Sagt! Und was erwartet ihr?

Derwisch
Ich weiß es nicht; ich will das Unbekannte.
Was nlir bekannt, ist unbegrenzt. Ich will
Darüber noch. Mir fehlt das letzte Wort.
Wenn ich's besitze, sollst du's mit mir teilen;
Ohn' daß du dich wagest
Auf die zahllosen Wege,
Die ich gegangen,
Wirst du es mühelos empfangen;
Der Leiden ledig,
Die ich gelitten,
Nicht um den Preis des Zweifelns
Und des Verzweifelns,
Den ich entrichtet.
Begreifst du? bist du glücklich?

Kassem (schaudernd, für sich)
Glücklich! Sollt' ich nicht schon
Einen gleich hohen Preis -? (Er wird von der Größe des Augenblickes erfaßt und gestärkt.) So gehen wir - geht, ich folg' euch, bin mit euch!

Derwisch
Du hast nicht Furcht?

Kassem
Vor nichts auf dieser Welt. (Sie vertiefen sich schweigend in die Grotte. Die Höhle bewegt sich und verschiebt sich, so daß die beiden, scheinbar weiterdningend, auf der Bühne immer sichtbar bleiben.)

Derwisch (plötzlich)
Es ist Etwas in dir, welches uns hindert
An dem Gelingen.
ich seh' es nun, ich weiß es, bin's gewißt
Ehrlich bist du, ergeben, gut und treu.
Doch gibt es etwas!!
Ich weiß nicht, was es ist.
Du bist nicht ungeteilt am Werke
Sprich, bekenne!

Kassem (zitternd)
Ja, es ist wahrl Verzeihet Meister,
Ich bin nicht wie ich sollte.

Derwisch
Was gibt's -?!

(Er preßt die Zähne aneinander) Verbirg mir nichts, ich muß es wissen,
Auf daß ich es besiege. Sprich, nicht fürchte.

Kassem (zögernd)
Ich liebe.

Derwisch Was?

Amyneh.

Derwisch

Ach, Unglücklicher!

(Er ringt die Hände und bleibt im Schmerz wie versteinert.j

(Endlich . .) Du kannst mir wenig nützen - dein Wille ist gelähmt - der Geist muß frei sein - deiner ist es nicht -- Zwar bist du rein vom Übel -etwas vermagst du noch - ich weiche nicht zurück - ich werd' erreichen - alles, was ich gewol It - doch um was Preis - welch' ungeheuren Preis! - Dir fällt nichts zu hörest du mich? - Nichts ich kann's nicht ändern - du trägst keine Schuld ach, um ein Weib! - ein Weib! - Fluch den Weibern! -Sie sind das Verderben - das Unbezwingbare - der reißende Untergang -!

-- Doch weiter, weiter
In kurzer Zeit war' es zu spät.

Eine Stimme (draußen, am Eingang der Höhle) Komm', Kassem, komm' - (Kassem fröstelt's) Derwisch (packt ihn, schleift ihn) Hör' nicht darauf, Verloren ist sonst alles.

Die Stimme
Komm' Kassem, komm' -
(Kassem wird auf das höchste unruhig, der Derwisch hält ihn)

Derwisch
Sieh nicht zurück, gib kein Gehör, mir folge!
Ein Sterbender bin ich,
Auf wen'ge Schritte
Wartet meiner der Tod.
Noch s u c h e ich aber
Und sterbend will ich finden!

(Kassem läßt sich willenlos schleppen.) Stell dich dorthin - dort, gut, da bist du sicherer!
Und nun, ich fühl's, ich weiß es, alles, alles Wird mir enthülltl (Der Derwisch kämpft sichtbar mit aller Kraft und beschwört laut, in einer unverständlichen Sprache von augenscheinlich unwiderstehlicher Macht.)

PRABHAWENA MADARGITENA!
IS WARAN MAJA LABD-HENA!
APARSARPATA! MARGAN DATTA!
RAHAS-JAM PRABRUTA!
TENA PARAMATMANA SAPE
ITI WA AGNAPAYAMI; JUSMAKAM
PRABHUR, AHAMI

(Die Grotte zerfällt mit großem Getöse, das Licht
dringt von
allen Seiten ein, der Derwisch ist verschwunden. Am
Eingang,
von Sonnenschein umflutet, steht Amyneh, die Hände
entgegenstreckend. Sie fallen sich in die Arme.)

Ende.