Ferruccio Busoni

DIE GÖTTERBRAUT

HEROISCH-HEITERES SAGENSPIEL
IN 3 BILDERN VON FERRUCCIO BUSONI
*

Composto da Busoni nel 1913 per lanciare un suo allievo Louis T. Gruenberg (ma la promozione si rivelò fallimentare: «The Bridge of the Gods, con le musiche di Gruenberg, non fu mai eseguita). Si tratta di una libera reinvenzione, tra il serio e il comico, del famoso racconto indiano degli amori di Nala e Damayanti, dal poema epico «Mahabharata»; di non grande pregio letterario, essa è notevole perché contiene singolari affinità con la fiaba Turandot, presentando, per le figure dei profewti e del re, tipi caratteristici della commedia dell'arte (non a caso Busoni volle che questo libretto fosse riprodotto insieme con quelli di Turandot e di Arlecchino nel fascicolo speciale uscito in occasione della prima berlinese del suo dittico. [SABLICH 190]


PERSONEN

König
Damayanti
Nalah
Erster Prophet
Zweiter Prophet
Ein Herold
Indra
Drei andere Götter
Chöre: Werber mit Gefolge.
Gefährtinnen und Sklavinnen Damayantis.
Ballett und Pantomime:
Priester, Derwische, junge Krieger.
.
BILDER

1. Der Prophetenberg.
2. Damayanti's Gemach.
3. Die königliche Empfangs-halle mit Ausgang auf die Gärten. OrtI.ndisches Reich.
Zeit: Der Legende.
Zwieschenspiele - Damayanti's Lied. - Fest-Musik.


ERSTE SZENE

Die Bühne stellt sich dreigeteilt dar und zeigt auf dem untersten Plan die Ebene, auf der die Menschen wandeln. Ein schmales Hochplateau mit steil abfallender, dem Zuschauer zugekehrter Wand, durchschneidet die Bühne von links nach rechts. Auf ihm schreiten die Propheten. Eine große, strahlende Wolke hängt darüber und sie ist der Aufenthalt der Götter. Am Fuße der Felswand gedeihen Palmen, von denen die hinteren die vorderen überragen. Es erscheint auf dem Berge ein Prophet , mit Pack beladen, den er, im Selbsgespräche, auskramt, ordnet und aufstellt.

1. Prophet - Götter, Helden und Propheten!! Ja, Propheten. Auf dem Berge. Auf dem Propheten-Berge. Da steh' ich! (Er beginnt auszupacken.)
Heute, also, der Tag der zweitausendsten
Zusammenkunft, die alle Kometenjahre -
einmal! - uns versammelt. Der zweitausendste
Komet zeigt einen weißleuchtenden Schwanz.
Das deutet auf Hochzeit. Zweifellos Damayanti's
Hochzeit - oder einer Anderen - aber
das werd' ich gleich feststellen.
(Er guckt durch das nun
fertig aufgerichtete Teleskop.)
Prophezeien ist leicht - eintreffen unsicher -
ein steiler Beruf...!

(Ein zweiter Prophet, von der anderen Seite, ebenso beladen, gibt sich in der nämlichen Weise zu schaffen.)

2. Prophet - Ein rotes Kreuzchen auf der Kalendertafel, das meint was wichtiges! (Er denkt nach.) Was war es nur! Sollte es die Wiederkehr des Tages sein, an dem Indra der siebente
Arm anwuchs? Hm! - Mein Vater Brahma gab mir
gern viel zu raten. Das war seine Erziehungsweise -
ich wußte oft nicht wo er hinaus
wollte - meistens! Eigentlich immer. Darum
jetzt das ewige Kopfzerbrechen. Aber dafür
habe ich mein System! Man nimmt die Gegen
wart, vergleicht sie mit der Vergangenheit -
und - schrupp! da hat man die Zukunft.

(Er beginnt auf seinem nun prangenden Planetenglobus zu punktieren. - Der erste Prophet wird jetzt den zweiten gewahr.)

1. Prophet - Tu, tu, tu - muß dieser Scharlatan immer dabei sein?
2. Prophet - Schau, schau, schau, - muß dieser Kurpfuscher mir hartnäckig in den Weg rennen?
1. Prophet - Auf diesem mageren Berggrat ist nur Raum für einen, und der bin ich.
2. Prophet - Wenn wir uns begegnen, Einer muß purzeln,
und der ist er.
1. Prophet - Unsympathischer Kerl!
2. Prophet - So ein Gesicht!
1. Prophet - Warte!
2. Prophet - Warte!

(Sie beginnen beide eine Beschwörungsformel im Kanon, indem sie manches vom Boden auf lesen.)

Beide - (im Kanon) Hundekraut - Rattenspeck -
Schlangengift - Ameisendreck -
(Beide tanzend.) Ein Rauch vorn Wüstensturm -
Ein Ei vom Todtenwurm -
Ein weniges Pestgeruch -
Eines Gehenkten Fluch -
Verschwinde! - Verschwinde!
Auf eins - auf zwei - auf drei!

(Keiner verschwindet, aber sie verbergen weltmännisch ihre Enttäuschung. -. Sie gehen, scheinbar' überrascht, auf einander zu.)

1. Prophet - Des Himmels Segen über Dich, Bruder!
2. Prophet - Der Götter Schutz über Dich, Kollege!
1. Prophet - Gieb acht, Du könntest purzeln.
2. Prophet - Man müßte, fürwahr, ein Geländer hier anbringen.
1. Prophet - Man kann kaum an einander vorbei.
2. Prophet - Es ist lebensgefährlich.

(Sie verrsuchen, höflich, einander über den Felsrand zu drängen.)

1. Prophet - (Für sich.) Warte!
2. Prophet - (Für sich.) Warte!

(Sie ringen unter vielen Höflichkeitsbezeugungen und sind im Begriffe, beide das Gleichgewicht zu verlieren, als aus der Wolke e i n e S t i m m e ruft: «Narada! Parvata!» Die beiden Propheten stürzen mit der Nase auf die Erde.)

Der Gott Indra - (Wohlwollend nach rechts.) Narada! (N. steht auf.)
(Wohlwollend nach links.) Parvata! (P. steht auf.)
Seid willkommen. (Die Propheten. verbeugen sich.)
Willkommen auf dem Berge Meru,
dem Schemel meines Thrones.
Beide - Gepriesen, Beherrscher der Wolken, Mächtiger
Indra. Nebelgott!
Indra - Und sagt, warum folgen Euch nicht die Königshelden,
ich vermisse ihre Huldigung.
1. Prophet - O Gottheit -
2. Prophet - O Gottheit -
1. - Bitte, wennn D u sprechen willst -
2. - Nein, nein --
1. - O Gottheit, die Helden sind verhindert, denn jeder einzelne von ihnen -
2. - Und alle insgesamt -
1. - Sind eiligst auf dem Wege zur Brautwerbung Damayanti's -
2. - Damayanti's -
1. - (gekränkt.) Also bitte -
2. - Nein, nein -
1. - Damayanti's, der weitgenannten Tochter des
Königs Birmah, blendendster Schönheit bekleidet -
2. - Die Tochter -
1. - Natürlich die Tochter, und in der Tat das begehrenswerteste Weib auf Erden.
2. - (als Echo.) Weib auf Erden.

Indra - Und kennt Damayanti Einen, den sie bevorzugte?

(Inzwischen haben sich, aus dem Himmel, drei weitere Götter genähert, jeder mit seiner Strahlen-Nische als Hintergrund. Sie scheinen über den Bericht in Verzückung geraten zu sein.)

1. Gott - Bei meinem Nabel!
2. Gott - Ich gäbe den Zauberring an meiner linken Zeh,
diese Perle aus der Auster zu heben!
3. Gott - Was gäb' ich nicht für ein menschliches, Abenteuer!!
1. Prophet - (Ungeduldig.) Vernichter der Dämonen, so
bangt jeder König darum, die überirdische Schönheit zu gewinnen, denn sie ist die Perle der Welt.
2. Prophet - (zustimmend.) Perle der Weit.
1. - Das habe schon ich gesagt.

Die Götter - (zu drei) Laßt uns mitziehen dahin. Laßt uns mitwerben.
Ein solches Kind ist eines Gottes wert.
Es schmachten Götter nach Erdenfreuden.
Der Mensch darf ihnen sie nicht bestreiten,
denn unser Wille ist ihm Verbot,
entsagt der Knabe, genießt der Gott.
Indra - Das dürfte die Brautwerbung beträchtlich verwickeln.
Die Götter - Laßt uns gewähren!
Den Erdenweg beschreiten
Als Männer,
Als Jünglinge,
Klopfenden Herzens
Zweifel e finden,
Erobern! - Lieben!
Indra - (Mit zustimmender Gebärde.)
Meinen Segen auf das holde Haupt. Fahrt wohl. (Die Götter eilen fort.) (Zu den Propheten.)
Dem König steht bei, weiteres meldet. Der
Rat ist aufgehoben, meinen Dank. (Er verhüllt sich.).

(Während die Propheten ihre Sachen zusammenpacken, sich zu einander steif verbeugen, und rechts und links abgehen, tritt zugleich Prinz Nalah auf.)

Prinz Nalah - (auf dem unteren Plane.) (Wie zur Antwort sagt er zu sich.) Unüberwindlich
fühl ich zu Damayanti meine Liebe, nicht
Götter könnten sie abtrotzen mir, denn,
gleich der Sonne, strahlt sie über den
Göttern. Werd' ich sie sehen? O, wann
werd' ich sie schau'n, die mir die Trauteste
ist und ungekannte. Wer weist den Weg zum Königskinde mir, das meiner harrt ... ?

(Die 3 Götter kommen ihm entgegen.)

1. Gött - Welch' aufrechter Jüngling!
2. - Sein Blick gleicht einem Pfeil!
3. - Wie ein Leopard. Mannhaft und voller Anmut -
1. - Ihn entsenden wir als Werbeboten zu Damayanti.
Zu Drei - Trefflicher Prinz, unser Gebot erfülle!
Prinz - Wer seid ihr, sagt, daß also Ihr befehlet?
1. Gott - Ich bin der Gott des Feuers -
2. - Gott Ich der Wässer
3. - In Lüften herrsch' ich -
Zu Drei - Schaue Deine Götter, die Unbezwingbaren,
die Güterspendenden, die Strafenden,
die Pfeiler der Welt!! (Der Prinz neigt
den Kopf und faltet die Hände.) Nun höre
uns're Sendung. Such' Damayanti auf, und
sprich zu ihr: "Der Himmlischen Einen
wähle Dir zum Gatten, denn die Götter
begehren Deiner Schönheit."
Prinz - O stehet ab, ich fleh' zu Euch, entlaßt mich!
Ich liebe Damayanti, meine Liebe
duldet nicht Raum zu anderen Gedanken!!
Ich dient' Euch schlecht, wollt' ich
dem Auftrag folgen; o spart mich, zeigt
Euch gnädig - widerruft!
Die Götter - Du bäumst Dich gegen göttlichen Beschluß?
Prinz - Ich kann nicht anders, nennt's nicht Ungehorsam.
Ich fände nie den Einlaß; tausend Wächter
hüten die hundert Türen des Palastes.
O, Damayanti, Herz Du meines Herzens, Du bleibst
mir unerreichbar! (Er fällt auf die Knie.)
Die Götter - Im nächsten Augenblicke stehst Du vor ihr.
Gehorche.

(Während der Prinz knieet, verwandelt sich die Bühne zu dem Frauengemache Damayanti's. Sie sitzt, in träumerischer Haltung, dem knieenden Prinz gegenüber. Eine Laute hängt von ihrem Halse; gleichzeitig mit der Verwandlung, hört man [unsichtbar] einige sehnsüchtige Strophen von Damayanti's Stimme gesungen. Mit den letzten Cadenzen steht das neue Bild deutlich da.)


ZWEITE SZENE

(Nach dem Verklingen der letzten Worte des Liedes und der Laute tritt ein stummer Moment ein, wenn N. und D. sich gegenseitig anlächeln.)

Damayanti - Wer bist Du, der Du herkamst wie ein Schatten,
zum Leben mich zu wecken? Sprich Du, o Fleckenloser. Wie drangst Du an den strengbewachten Ort?
Nalah - Ich bin jener, an den Du denkst, von dem Du singst,
nach welchem Deine Sehnsucht geht. -
Damayanti - Nalah - - - !
Nalah - Ich bin's. Doch, ach, als Bote komm' ich höh'rer
Geister. «Der himmlischen Einen wähle Dir zum Gatten, denn es begehren die Götter Deiner
Schönheit.» So melden Dir, durch mich, der
Welten Hüter. Entscheide selbst.
Damayanti - (Nachdem sie sich verneigt hat.) Ich bin die
Deine, und was ich besitze, gehört Dir zu. O, lieb'
mich wieder, Nalah! Der Götter Werbung macht
mein Herz erstarken - doch weisest Damayanti Du von Dir, such ich den Tod. Dem Feuer weihe,
dein tiefen Wasser dann sich Damayanti, und
Nacht stürzt über ihres Lebens Morgen!
Nalah - Damayanti!!! - Dich lieb ich, wenn auch nur
als nied'rer Sterblicher. Du darfst zu ihnen
aufseh'n, die Dich fordern. Die eig'ne Botschaft spricht das Urteil mir. Du gingest
in den Tod,- wenn ich nicht liebte - doch lieb'
ich, werd' ich durch Tod gestraft. So werde
Göttin, die Du mir schon warst, und zweifach
angebetet wirst Du sein.
Damayanti -Spricht Liebe so entsagend?
Nalah - So spricht mein Mund und aus ihm tönt die Pflicht.
Damayanti -Ist sie die höchste Pflicht?
Nalah - O, Damayanti, mach' nicht die Qual mir
bittrer, mache nicht, daß ich den Göttern das
Vertrauen breche.
Damayanti -Sprich, was Du fühlst.
Nalah - Ich spräche nur Verzweiflung. (Wie im Delirium.)
Es leuchtet der Saal, es schließt sich das
Tor, das Andere ließ ein. Helle gestalten
Ich weil' im Dunkeln ---, es schwindet die
Wirklichkeit, ich werde zum Schatten, die
Unterwelt nahm mich auf.
Damayanti - O Nalah, Nalah, weißt Du nicht, wie tapfer des
Weibes Herz sich wehrt, wenn's Lieben gilt?l
Nicht Götter schrecken es, nicht Himmelsmächte,
allein die Furcht, das Einzige zu missen!
Die Erste würd' ich sein, die so erläge,
den Götterrang gewinne ich mir durch Trotz,
und meine Lieb' wird göttergleich sich zeigen.
Jetzt, Nalah, geh', mein Herz begleitet Dich.
(Innige Umarmung.) Zwischen-Vorhang.


DRITTE SZENE

Vor einem Vorhange, hinter dem die königliche Empfangshalle. König und die beiden Propheten. König ist im Negligé.

König - (ohne Atem zu holen.) - Und nicht genug an den
Staatssorgen, dem Amte, den Sitzungen, dem
Ministerrat, dem Gerichtssaal, den Regierungsentwürfen,
den Finanzwirrnissen, den Kriegen,
den lauernden Revolutionen, den Kabinetsernennungen, der ständigen Vorsicht - Umsicht - Nachsicht, mit Soldaten, mit Priestern, mit
Diplomaten, der Repräsentation, der in
Standhaltung der königlichen Marställe,
den Bewirtungen, Gastgebereien, Audienzen,
Belohnungen, Bestrafungen, Gottesdiensten,
öffentlichen Feiern, Begräbnissen, Handelsfragen, Schifffahrtsregelungen, industriellen
Projekten, Besichtigung der Felder, der
Forsten, der Gebirgswege, Förderung der Wissenschaft, Unterstützung der Künste, Hausordnung,
Hofordnung, gesellschaftlicher Ordnung, militärischer Ordnung, Unglücksfällen, Epidemien,
Naturereignissen -
1. Prophet - Majestät, Atem holen!
2. - Luftpause!
König - sondern -
1. - Prophet Noch nicht!
2. - Prophet Noch nicht!
König -- überdies -
1. Prophet - Noch lange nicht!
2. - Noch lange nicht!
König - Darf ich nicht reden, wozu wär' ich der
König? Ich bin aufgetrieben, wie nach einem
Linsengericht. Ich werde platzen! (Er weint.)
1. Prophet - Euer Majestät, sind in der Tat recht angegriffen.
2. - Die Lunge, die Lunge, Majestät!
Und die andere Lunge!
2. - Das Herz!
Beide (unheilvoll) Die Neer-ven!!
König - (schluchzend.) - sondern - überdies - die Familiengeschäfte, die Familiengeschäfte!!
1. Prophet - Allerdings, ein schwerer Tag
2. - Ein bedeutsamer Tag!
1. - Ein ereigniskündender
2. - Verantwortlicher
1. - Entscheidender -
2. - Folgenschwerer -
1. - Spannender
2. -Außerordentlicher
Beide - Taag!
König -Dazu braucht man nicht Prophet zu sein. Was
sagt das Horoskop?
1. Prophet - Es verkündet allgemeine Freude, im FalIe eines
guten Ausganges.
König - Kunststück! - Und die Göttin der Weissagung?
2. Prophet - Hat sich gnädig, aber zurückhaltend geäußert.
Sie sprach: Der Gatte, den die Prinzessin wählt,
sei ihr zubestimmt.
König - Auch recht geistreich! - Ach, die Verantwortung!
Hundert abgewiesene Freier, hundert Feinde.
Die Festungswerke müssen eilig verstärkt
werden. - Wo ist der Kriegsminister? (Trompeten
stöße, Beckenlärmen.) Da! nun beginnt das
Unglück. Ich muß Toilette machen. (Er schlägt gong, drei Sklaven eilen herbei.)
Den Barbier! Den Bademeister, den Kammerdiener!
Hurtig! (Sklaven ab.)
1. Prophet - Inzwischen beschwör' ich die guten Geister -
2. Inzwischen banne ich die Dämonen -
König - (Im Abgehen.) Ja, ja, ja, ja - - - -

(Die Propheten rechts und links ab.)

Chor der Werber (Pianissimo)

Wie fühl' ich mich so liebeskrank
Ich dürste wie im Wüstensand
So stampft der Hengst am Wegesrand
Und wiehert laut vor Ungeduld!
Die Zeit wird lang
Das Herz wird bang
Frägt das Gequälte
Wo bleibt die Erwählte?
O Damayanti, erscheine, erschein'!
Das ist die schwüle Werbezeit
Die einzieht in dem Frühlingskleid,
Man flieht nicht und man steht nicht still,
Man wünscht, und weiß nicht was man will.
Gedörrte Flutt Gefror'ne Glut!
O, zeig Erbarmen
Mit unsren Harmen,
O Damayanti, sei meine, sei mein!

(Während dieses Chorgesanges ist der Vorhang geöffnet worden. Man erblickt die königliche Empfangshalle mit Ausgang und Ausblick auf die königlichen Gärten. Die letzten Vorbe reitungen werden getroffen.)

Der König - im Staatskleide, nebst Propheten und Gefolge.

Chor - (Plötzlich vom pianissimo zum fortissimo übergehend.)
Heil dem König Birmah;
dem weißglühenden Schwerte.
Dem siebenkantigen Diamanten.
Dem Fackelträger der Sonne.
König - Guten Morgen, guten Morgen. Alles in Ordnung?
Hat jeder Prinz seinen richtigen Thron? - Sind
die Pferde untergebracht, die Sklaven gebührend
geprügelt? - Gute Reise gehabt? Schönes Wetter!
Ah, da sind die Geschenke. - Laßt Alles prüfen,
eintragen und jedes an seine Stelle bringen. Hundert
Mann mit dem Schatzmeister, daß die kleinen
Sachen nicht verschwinden.
Chor - (pp.) Wir dürsten wie im Wüstensand -
König - (sich umblickend.) Werden keine Erfrischungen
gereicht? (Es geschieht.)
Chor - (pp.) Es stampft der Hengst am Wiesenrand -
König - Man sorge für Unterhaltung!
(Für sich.) Wie wird das enden!
Chor - (Plötzlich ff.) Heil dem Hirten der Gestirne.
Dem Herold der Kometen. König Birmah, dem
Stamme von Damayanti's Blüte!
König - Danke, danke. (Er besteigt den mittleren Thron.)

(Tanz-Arrangement mit religiöser Ceremonie. Die Priester-Gruppe um einen enormen Buddha bildet den ruhigen Mittelpunkt eines aufgeregten Reigens von Kriegern und Fakirs und jünglingen. Die, gegen Schluß des Tanzes, einziehende Gruppe von Frauen und Mädchen, mit Damayanti, bildet einen anmutigen Kontrast. Ruhiger Gesang derselben, von dem Werber-Chor [immer im drängenden pianissimo] als Kontrapunkt beantwortet. Das ganze darf kaum über 10 Minuten sich verbreiten.)

Chor der Mädchen
Eine Lilie ist uns erblüht,
Erblüht über Nacht
Am Felsenweg;
Tausend Blümlein schaaren sich weiter und näher,
Halten zu ihr in Treue,
Bewachen sie lieblich; ringsum Gestein.
Plötzlich, an Wegeskrümmung,
Der Tritt gestählter Hufen, Waffengeklirre;
Tausend Ritter
Springen von weiter und näher,
Huldigen ihr im Wetteifer,
Bedrängen sie liebend:
Ihre Schlösser sind fern.

Es pflückt Einer die Lilie,
Beugt sich vom Sattel über,
Schmückt sich mit ihr;
Tausend Herzen
Schlagen für Dich laut und leise,
Jauchzen mit Dir in Treue,
Scheiden in stiller Ergebung,
Wenn Du, um des Wegeskrümmung,
Ihnen entschwindest.

König - Meine Tochter, Herzenskind! Du siehst vor Dir die Männer, die Dich mir wegnehmen wollen. (Er macht eine Grimasse.) Eine stattliche Anzahl und lauter reines Blut! Willst Du mich mit meinem Alter einsam lassen? - Lauter ungepfropfte Stammbäume. - Einen Augenblick. - (Er schneuzt sich.)
Betrachte sie. Der, mit der großen Turbanquaste, besitzt den Ring Salomonis. Der, mit den Ohr gehängen, ist der Herr der sieben Geheimtempel. Der, mit den Glöckchen an den Armbändern, stammt geradenwegs von Con-fut-se ab. - Fein, wie der läutet, was? - Der Mittlere, der Bartlose, ist sogar von einem Gotte zweiter Ordnung gezeugt, auf dem Berge Himalaya. Ein hochgeborener Herr! - Nächst sitzt der Beherrscher der Schlangen, gegen die er gefeit ist; die folgen ihm wie gestutzte Pudeln und essen mit an der Hoftafel. - Der Vorletzte ist allwissend, der mit der Spitznase und den Augengläsern, beschreibt Kreise in der Luft, und zieht daraus die erstaunlichsten Tatsachen. - Der Siebente, mit dem stechenden Blick, ist ein Zauberkundiger und tritt in sein viertes Leben. - Welcher gefällt Dir, geradeaus, geradeaus!
Damayanti - Dem reinen Nalah gehört mein Herz!
König - Nalah, Nalah? Daß ich nicht wüßte...
Herzenskind, du träumst. (Das kommt davon, daß man die Tochter von der Welt absperrt!)
Damayanti - Nalah, der Strahlende, ist mein Erwählter.
König -Gesetzt, Du hast ein Ideal im Kopf. Das ist ja
verzeihlich, verständlich. Du sitzest allein
und machst Dir Gedanken. Aber dieser Nalah ist
nun einmal nicht da.
Damayanti - Er kommt.
König - Hat sich nicht angesagt.
Damayanti - Gib mir Zeit. Nalah wird kommen.
König - Ein Mann, der am Ende garnicht existiert...!

(Während des Dialoges, Chor der Werber, leise und drängend: «Das Herz wird bang, die Stund' wird lang, das ist die schwüle Werbezeit, - O Damayanti, entscheide, entscheid'!»)

Ein Herold - Es melden sich drei Ungenannte. Ihr Rang, so
sagten sie, stehe über jedem Zweifel. Sie
kommen als Werber.
König -Laß sie herein. Gott gebe, daß einer von
ihnen das gesuchte Ideal - (verblüfft) ... Das
sind Drillinge!!
Die drei Götter (treten auf, sämtlich in Nalah's Gestalt).

Chor der Werber und der Mädchen
Der Ausdruck klar, -
Gebieterisch die Haltung -
Des Einen Ebenbild die and'ren Beiden
Und ungenannt
Doch sicher hoher Herkunft
Welch' ein Geheimniß -
Welch' unzeit'ges Kommen
Um unser Werben ist's getan!

Damayanti - (lebhaft entgegeneilend, zum ersten.) Mein Nalah!!...
Nein, Du bist's nicht! ... Wie konnt ich so glauben! ...
Doch Du (zum zweiten) Du bist's, ich seh' Dich,
bist Du Nalah?! ... Hinweg ... Betrug ... der Dritte?
Sollt' er's sein? ... O Schtnerzenstäuschung, o
betörte Seele! ... Wer spielt so überlegen
mit eines Menschen Herzen? Wem, o wem, kann
Menschenqual so fremd sein, daß er daran, durch
Maskenspiel, sich weide? Ihr allein, die ich
erkenne, Ihr Götter, übt dieses Recht, vor dem
ich mich verneige. (Sie kniet, alle folgen.)
O, zeigt Euch gütig; sagt, wo weilt der Einzige?
Ihr seid allwissend,
Also wißt ihr auch,
Daß keine Macht von Nalah mich kann wenden!
Götter - (schweigen).
Damayanti - Die Götter selbst bestimmten uns einander,
bei dieser Wahrheit, flehe ich Euch an!
Götter - (schweigen.)
Damayanti - Bei mir ist nicht das Wort, noch der Gedanke,
noch ist die Tat, die anderes besagte, als:
mein ist Nalah und ich bin die seine!
O sprecht, wo weilt mein Herr?
Götter - Nalah ist nicht mehr.
Damayanti - (steht rasch auf.) Nalah ist nicht mehr? Nalah
todt? Abschiedlos von mir gegangen? O, nicht
genug des Spieles und des Spottes, nicht genug,
daß Ihr mich täuschtet, wohlbewußt, daß, Ihr
O, der Beschämung! - nur
im erborgten Lichte seiner Züge zu werben
Euch getraut um Damayanti's, Herz, das unbestechlich ist; noch immer nicht genug, - er
mußte sterben, räumen den Weg der Erde, auf
daß sein Schatten nicht Eu'ren Glanz, Ihr
Göttlichen, verschleierte. (Immer stärker.)
Doch Damayanti, treu in den Tod, wird Nalah nicht
verlassen. Ich folg' ihm nach, und Euch - Euch
schwör ich ab!! (Zu den Übrigen.) Lebt Alle
wohl, lebt wohl, ich geh' von Euch, mich Nalah
zu vereinen. (Sie will forteilen. Man umringt sie.
Die Götter unbeweglich.)

König - Herzensmädel, Herzensmädel, bedenke...!
Ich verliere den Kopf - und alles wegen eines
Hirngespinstes - so helft doch - bringt Ihr
Vernunft bei
Die Götter - (stark). Damayanti!! Es haben Deines Herzens
Wahrhaftigkeit und Stärke gesiegt über die
Götter. «Der Himmlischen Einen wähle Dir zum
Gatten.» Auf, daß diese Sendung, sich recht
erfüllte, liehen wir von Nalah die geliebte
Gestalt. Den Göttern also gleichend, zu Dir,
Erhabenen, hoben wir ihn empor...!

Herold - (unbeherrscht). Ein wilder Reiter setzt über
die Gartenwälle. Nichts hält ihn auf, gleich
sprengt er in den Saal -' rettet den König!

(Allgemeine Bewegung. Mit einem Satze stürmt Nalah beritten auf die Bühne, springt vom Pferde und wirft sich an Damayanti's Brust.)

Götter - (beendend.) So nimm ihn hin, er sei Dein Gatte!
(Sie verschwinden.)
König -Preiset die Götter!
Alle - Preiset der Götter Lieblinge!
König - (außer sich.) Kinder, Kinder, Kinder

Vorhang

Es kann ein Schluß - Bild folgen ohne Worte: der Prophetenberg mit den unbeweglichen Göttern , in Gala, über ihm. Auf dem vorderen Erdenweg zieht ein prächtiger Zug vorbei: Nalah führt die junge Frau in sein Reich. - Vor den Göttern hält das Liebespaar und knieet nieder: - hier fällt der Vorhang.

Dieser hier erstmalig veröffentlichte Text Busonis ist von dessen Schülei Louis Theodor Gruenberg (NewYork) vertont.