Franz Welser-Möst: «Man fällt auf die Nase, um wieder aufzustehen»
Der Derigent gibt am Donnerstag sein Debüt beim Berliner Philharmonischen Orchester - Ein Interview
41 Konzerte bei sieben Orchestern mit 21 Stücken, zwölf davon
aus dem 20. Jahrhundert. Dazu 44 Operndirigate von acht Werken, davon drei
Premieren. Eine in planerischer Feinarbeit ausgewogen zusammengestellte Saison,
die Franz Welser-Möst (41) in zwei Kontinente, sieben Länder und 17 Städte
führt. Die wichtigsten davon sind Zürich, wo er seit 1995 als Chefdirigent
am Opernhaus amtiert, und Cleveland, wo er im September diesen Jahres als
Nachfolger von Christoph von Dohnányi eines der berühmtesten Orchester der
Welt übernimmt. Schon einmal, 1990-96, stand der Linzer dem London Philharmonic
Orchestra vor, eine Zeit die nicht in Frieden endete. Am Donnerstag gibt
er sein Debüt beim Berliner Philharmonischen Orchester. Mit Franz Welser-Möst
sprach Manuel Brug.
DIE WELT: Wir haben heute den Spezialisten für Zeitgenössisches, für Barock und für Bruckner. Warum lassen Sie sich so schwer einordnen?
Franz Welser-Möst: Ich bin neugierig, will neues Repertoire
lernen. Ich mag mich nicht ständig wiederholen und Spezialistentum ist nicht
meine Sache. Mein Leben und meine Arbeit müssen ausgewogen sein. Das hört
man den Aufführungen sonst sofort an. Im Zweifel würde ich mich für ein modernes
Stück stark machen. Wir als Dirigenten haben diese Verpflichtung, müssen
den Jungen eine Chance geben und Komponisten unserer Generation fördern.
DIE WELT: Dennoch dirigieren Sie dieses Jahr mit dem Gustav Mahler Jugendorchester neunmal die 8. Sinfonie von Gustav Mahler und achtmal die 8. von Bruckner. Wie geht man da heraus?
Welser-Möst: Erschlagen und euphorisiert zugleich. Ich hatte
Angst und freute mich darauf. Es ist natürlich immer auch ein sportiver Moment
dabei.
DIE WELT: Anderseits sind Sie Zürich sehr treu. Warum?
Welser-Möst: Weil es schön ist, wenn man irgendwo auf der
Welt eine Vertrauensbasis hat. In London war das kompliziert, ich war zu
jung, das Orchester, das viel Geld selbst einspielen muss, in einer schwierigen
Situation. Es ist wie mit Kleinkindern: Aus Fehlern lernt man schneller.
Ich habe dort hilflos drei Intendanten und zwei lange Zwischenphasen erlebt.
Da fällt man oft auf die Nase. Um wieder aufzustehen.
DIE WELT: Wer hat Sie beraten?
Welser-Möst: Ich mich allein. Ich wusste, dass ist so ein
Moment, wo ich aufhören muss, das geht so nicht weiter. Ich habe früher bei
Proben oft dem Karajan zusehen dürfen und gesehen: Der ist ein furchtbar
einsamer Mann. Ich möchte diesen Preis nicht zahlen müssen - nur um an der
Spitze zu stehen! Einige Monate später kam das Angebot aus Zürich. Ehrgeizig
bin ich schon, also habe ich es mir angeschaut. Und schnell gemerkt: das
ist die ideale Spielwiese. Ich wollte immer zur Oper. In Zürich habe ich
in sechs Jahren 25 Premieren dirigiert. Da lernt man einiges - und hat viel
Abwechslung.
DIE WELT: Ist das nicht altmodisch gedacht?
Welser-Möst: Schon Wolfgang Sawallisch hat mir gesagt, dass
er am meisten gelernt habe, als er in Augsburg in zwei Spielzeiten dreißig
Operetten dirigieren musste. Das ist Handwerk. Das ist für unseren Beruf
so wahnsinnig wichtig.
DIE WELT: Wie wird das mit Cleveland weitergehen?
Welser-Möst: Ich werde mich nicht beim Kontinente-Hopping
aufreiben wie mancher Kollege. Ich reduziere in Zürich auf zwei Premieren
und 30 Vorstellungen, werde zunächst drei Jahre als Erster Gastdirigent zur
Verfügung stehen. Doch mein Opernbein gebe ich nie auf. Ich bin bekennender
Vokalfetischist. Wenn die Oper funktioniert, ist es das schönste überhaupt
- und wenn nicht: das Grauenvollste!
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