Archiv
Suche: Immobiliensuche Jobsuche KFZ-Suche Partnersuche
NEWSLETTER | ABO | KONTAKT MUSIKLADEN | TV | KINO | EVENTS
Politik
Wirtschaft
Chronik
Kultur&Medien
Medien
Klassik
Pop
Film
Literatur
Bühne
Ausstellung
Kultur News
Kommentare
Sport&Motor
KarriereLounge
Tech&Science
Reise&Freizeit
Wohnen
Rechtspanorama
Spectrum
Gesamtübersicht
RSS-Feed
Sudoku
Forum Bildung
Gewinnspiele
Kreuzworträtsel
Textversion
Wireless
Newsletter
Lokaltipps
Abonnement
Presse-Club
Anzeigenannahme
Lehrredaktion
Unternehmen
Online
Print
Kritik Kritik Oper:
Menschliche Emotionen, aufgeheizt bis zur Explosionsgefahr
VON WILHELM SINKOVICZ (Die Presse) 13.02.2006
Franz Welser-Möst kehrte für Wagners "Tristan und Isolde" an die Staatsoper zurück und dirigierte eine phänomenale Aufführung.

Auch das ist Repertoire: Es gibt wahrscheinlich nicht viele Opernhäuser in der Welt, an denen mit zwei Orchesterproben eine solche Aufführung möglich ist. Franz Welser-Möst und "Tristan" in Wien, das ist mehr als ein Kapitel der jüngeren Staatsopern-Geschichte. Vor zwei Jahren kam der Dirigent aus Zürich angereist, um über Nacht das Werk vom erkrankten Christian Thielemann zu übernehmen, der die Premiere einstudiert hatte. Das war ein Husarenstück - bei dem Möst alles riskierte: Ohne Probe realisierte er seine, eine völlig andere als die wohlstudierte Interpretation, sparte allein an Aufführungsdauer etwa 20 Minuten gegenüber der von Thielemann drei Tage zuvor geleiteten Vorstellung ein.

Nun die Kür. Geplanter Weise leitet Möst drei "Tristan"-Aufführungen mit völlig neuer Besetzung und demonstriert, wie das ist, wenn er mit einigen, wenigen Arbeitsstunden seine Vorstellungen vermitteln kann.

Das Ergebnis ist überwältigend. Vor allem ist es überwältigend anders als die mittlerweile auf CD nachzuhörende Realisierung durch die Premieren-Besetzung. Den nach wie vor irritierende hässlichen Bildern der Günter-Krämer-Produktion zum Trotz ereignet sich ein Psychodrama, das den Hörer - wenn er im schlimmsten szenischen Missdeutungsfall einfach die Augen schließt - vollständig in seinen Bann zieht.

Man verzeihe den Vergleich, aber er drängt sich auf: Thielemanns "Tristan"-Deutung war ganz aus dem verzehrend schönen Klang geboren. Welser-Möst legt die Nervenstränge von Wagners Drama bloß und reizt die pulsierende Energie bis zur Weißglut aus. Auch das führt zu Klangereignissen von erregender Schönheit, zu beinah entmaterialisierten, über alle Taktstriche hin strömende, aufgelöste harmonische Räume, in denen sich - etwa in den entrücktesten Passagen des Liebesduetts - die Singstimmen ganz frei schwebend entfalten können. Es bringt aber das mit zuletzt ungeahntem Engagement aufspielende philharmonische Orchester dazu, in Augenblicken der völligen Ekstase scheinbar alle Grenzen des zivilisierten Miteinander-Musizierens abzuwerfen und in Regionen anarchischer Ausdruckswut vorzudringen. In den Steigerungen gegen Ende des ersten Aufzugs, vor dem Höhepunkt des Duetts und bei Tristans Fiebervisionen gewinnt der Hörer, so er vom Strudel der Ereignisse nicht vollständig absorbiert ist, den Eindruck, die einzelnen musikalischen Linien würden sich im Furor des Geschehens verselbstständigen.

Dann weiß vielleicht wirklich nur noch einer im Saal, der Dirigent, wo in dem gigantischen Koordinatensystem der frei gewordenen Seelenklänge oben und unten ist. Die Souveränität, mit der Franz Welser-Möst die Partitur beherrscht und das Geschehen auch im extremsten Punkt der Handlung organisiert, ist staunenerregend. Die Besetzung, in dieser Konstellation neu für Wien, findet sich in dem vom Orchester entfesselten Pandämonium mit ähnlicher Souveränität zurecht. Es dürfte schwer sein, für die Titelrollen Protagonisten zu finden, die mit mehr technischer Sicherheit und Intelligenz zu gestalten wissen. Ben Heppner und Deborah Polaski gehören zu den raren Sängern, deren Stimmen auch heldische Aufgaben als naturgegeben scheinen lassen können.

Auch dort, wo die Musiker - vor allem mit fortschreitendem Abend - dynamisch kaum mehr Rücksicht nehmen, verliert keiner die Contenance; auch Boaz Daniel nicht, der einen sehr lyrischen, doch anrührenden Kurwenal gibt. Und schon gar nicht Michelle Breedt, nach langem wieder eine Brangäne, die nicht nur den dramatischen Anforderungen der Partie gewachsen ist, sondern die Stimme auch bei den Wacherufen betörend schön strömen lassen kann. Mit Robert Holls soigniert-wohltönendem König Marke ergab das alles ein Opernfest.

"Tristan und Isolde": 15. und 18. Februar

 
  Ihre Meinung
  Artikel versenden
  Newsletter bestellen
  Printversion

   

 LESERBRIEFE
 
Von Erich Gebhard am Freitag, 17.02.06 um 16:48
Hat Herr Sinkovicz geträumt?
  Sonst hätte er gehört, dass die Stimme von Frau Polaski nach einer längeren Gesangspause "schreit"? Und dass Herr Heppner max. in Graz zur Geltung käme und nicht in so einem großen Haus, wie der Staatsoper. Im dritten Aufzug war er auf der Galerie kaum mehr zu vernehmen. Und ein Dirigentenvergleich mit Herrn Thielemann finde ich übertrieben. Der Tristan von Thielemann hat Emotion und Ausstrahlung, jener von Welser-Möste ist kalt und legt tatsächlich die Nervenstränge blank. Aber die der Zuhörer. Dass die Vorstellung am 15. etwas besser war, als am 11., ist nur ein schwacher Trost.
    Auf diesen Beitrag antworten
------------------------------------------------------------------------------------------------
Von Mc Besser am Donnerstag, 16.02.06 um 08:29
Nervenstränge bloßlegen
  ... und das in zwei Proben! Wie macht das der Welser-Möst? Und wie würde er erst nach vier Proben in den Eingeweiden der Wagner-Musik wühlen! Doch unser Sin schafft es auch ohne Probe, die Nervenstränge der Leser bloßzulegen, wenn er einen seiner Heiligen Drei Könige (Prêtre, Fedosejew, Welser-Möst) anbetet. Wer ihn überwältigt, vor dem kniet er - hatten wir das nicht schon einmal? Aber lasst ihm doch das Vergnügen, Kulturpolitik machen zu wollen und nach dem Salzburger Misserfolg nun die Inthronisation Welser-Mösts in Wiens Oper zu versuchen!
    Auf diesen Beitrag antworten
------------------------------------------------------------------------------------------------
Von Eleonore Moser am Montag, 13.02.06 um 18:37
Die Bläser
  Was heißt hier "Die Bläser"? Es war einzig und alleine der Erste Oboist Clemens Horak, der im Vorspiel und später noch ein weiteres Mal eklatante Schnitzer vollbrachte. Sämtliche anderen Holzbläser und Blechbläser waren in hervorragender Form. Im übrigen kann ich W. Sinkovicz voll und ganz zustimmen. Ich habe selten einen derart spannungsgeladenen "Tristan", vor allem vom Dirigat her, erlebt.
    Auf diesen Beitrag antworten
------------------------------------------------------------------------------------------------
Von beckmesser am Montag, 13.02.06 um 14:43
P.R. Mann Sinkovicz
  Da konnte man zuvor wetten, daß Liebling Welser-Möst mit Superlativen von dem sogenannten "ersten Musikkritiker" überhäuft wird. Buhrufe aus dem Publikum werden da vorsichtshalber gar nicht erwähnt. Hier wird massiv public relation für einen Dirigenten zulasten objektiver Berichterstattung betrieben. Das entspricht nicht dem Niveau einer Qualitätszeitung!
    Auf diesen Beitrag antworten
------------------------------------------------------------------------------------------------
Von Fritz Krammer am Montag, 13.02.06 um 10:53
keine Probe - zwei Proben
  also was soll den diese Berichterstattung, der Dirigent ist mit dem Werk vor knapp 2 Jahren OHNE Probe eingestiegen....und die Vorstellung hatte damals mehr Biss. Ob damals noch was vom Thielemann hängen geblieben ist?
    Auf diesen Beitrag antworten
Alle 8 Beiträge anzeigen