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Welser-Möst: Kritik an Salzburg

 

KURIER/Christandl
Welser-Möst: "Einen Jobwechsel habe ich nie vorgehabt. Zurzeit bekriegen sich Fraktionen, obwohl es gar keine Fraktionen geben dürfte. Auf der Strecke bleiben dabei die Festspiele"

KURIER: Herr Welser-Möst, Sie sind zur Zeit der meistgenannte Mann in Salzburg, obwohl Sie bei den Festspielen gar nicht dirigieren. Wie geht es Ihnen dabei?
Franz Welser-Möst: Es ist grotesk. Ich war noch nie in meinem Leben an einem Ort so präsent, wo ich gar nicht bin. Ich war heuer drei Stunden in Salzburg, um mir die Premiere der „Möwe“ anzuschauen. Sofort habe ich gehört, dass ich in Salzburg dauernd durch die Gassen schleiche.

Weil Sie als möglicher Intendant ins Spiel gebracht wurden . . .
Ich habe mich nie beworben. Mir wurde auch nie, wie fälschlicherweise behauptet, von Staatssekretär Franz Morak etwas versprochen. Die ganze Aufregung ist also völlig aus der Luft gegriffen. Ich setze mich auch sicher nicht zehn Monate in ein Büro. Ich bleibe Dirigent. Und einen Jobwechsel habe ich nie vorgehabt.

Wie kam es dann zu diesen Diskussionen?
Ich habe mit Staatssekretär Morak über die Salzburger Festspiele gesprochen. Aber nicht über konkrete Konzepte, weil ich ja nicht Intendant werden will. Ich gackere nicht über Eier, die nicht gelegt wurden. Morak war der einzige, mit dem ich über Kunst diskutiert habe. Und ich hatte am 3. Mai auch ein Treffen mit Landeshauptfrau Burgstaller, wo es auch um einen möglichen Künstlerbeirat ging. Da habe ich ihr gesagt: Das wäre nicht klug. Entweder hat man einen starken Intendanten, der auf einen Beirat pfeift. Oder man hat einen schwachen Intendanten, für den man dann nur viel Geld zahlen muss.

Zuletzt hieß es, Jürgen Flimm könnte Intendant werden und Sie eine Art Musikdirektor.
Leider Gottes reduziert sich alles auf Namen. Und es bekriegen sich Fraktionen, obwohl es gar keine Fraktionen geben dürfte. Auf der Strecke bleiben dabei die Salzburger Festspiele. Dabei geht es nur um sie. Was zur Zeit passiert, ist für die Festspiele ein großer Schaden. Mir tut es in der Seele weh, wenn ich sehe, was mit diesem Flaggschiff passiert.

Die jüngste Meldung betraf ein Festival in Ohio, das Sie künftig im Sommer programmieren und deshalb ohnehin nicht in Salzburg sein könnten. Stimmt das?
Ich bin jetzt gerade zu diesem Zweck in Blossom. Aber das ist keine Neuigkeit. Schon in meinem Vertrag, den ich im Juni 1999 unterschrieben habe, ist festgelegt, dass ich jedes Jahr eine Woche hierher komme. Da wird aus einer Mücke ein Elefant gemacht. Man hat jedes Augenmaß verloren.

Könnten Sie sich überhaupt noch irgendeine Funktion in Salzburg vorstellen?
Ich bin im Gegensatz zu anderen ein Mensch, der gerne mit Leuten spricht, wenn sie auf mich zukommen. Wenn die Festspiele mein künstlerisches Potenzial nützen wollen, müssen sie mit mir reden. Das wird jetzt gleich wieder interpretiert werden: Er will ja doch Intendant werden. Aber das stimmt nicht.

Stimmt es, dass Ihr Konzept eine Reduzierung der Veranstaltungen bei den Salzburger Festspielen enthielt?
Ich habe kein Konzept abgegeben. Aber die Salzburger Festspiele haben, gerade bei diesen Kartenpreisen, eine besondere Verpflichtung gegenüber dem Publikum. Und so viele Veranstaltungen auf diesem hohen Niveau zu halten, ist aus meiner Sicht unmöglich. Das ist auch eine Frage der Ehrlichkeit gegenüber den Besuchern, die man nie unterschätzen darf.

Wird man Sie als Dirigenten in Salzburg wieder erleben?
Ich höre immer von Kuratoriumsseite, ich solle am besten zwei Premieren pro Jahr dirigieren. Aber es ist Aufgabe des Intendanten, seine Künstler zu verpflichten und nicht jene des Kuratoriums. Zur Zeit diskutieren Menschen mit, die sich in künstlerische Belange lieber nicht einmischen sollten.

Vor allem der Salzburger SP-Bürgermeister Heinz Schaden dürfte kein Befürworter von Ihnen sein.
Er hat mich vor kurzem als jungen, aufstrebenden Dirigenten bezeichnet. Ich werde am Montag 44 Jahre alt und habe nicht das Gefühl, dass ich mich im Moment wahnsinnig anstrengen müsste, um Karriere zu machen.

Als Argument gegen ein Salzburger Engagement wurde unter anderem auch angeführt, dass Sie ab 2007 den „Ring“ an der Staatsoper dirigieren, also das zentralste Wiener Projekt.
Das stimmt. Aber ich bin immer wieder erstaunt, dass alle meinen Kalender besser kennen als ich.

 

Artikel vom 12.08.2004 |Gert Korentschnig