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della Dramaturgie che il curatore del sito ringrazia di cuore.


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EINFÜHRUNG DES DRAMATURGIE-TEAMS

«Ein Sachse ist in Rom angekommen, ein hervorragender Cembalist und Komponist, welcher heute auf der Orgel in der Kirche S. Giovanni ein Glanzstück seiner Kunst vorgelegt hat, das alle Hörer in Erstaunen versetzt hat.» Mit dieser Tagebucheintragung hielt der Chronist Francesco Valesio am 14. Januar 1707 das Eintreffen Georg Friedrich Händels in der Ewigen Stadt fest, doch war dieser im Spätherbst des Jahres 1706 nicht nach Italien aufgebrochen, um als Virtuose zu reüssieren, sondern um sich als Opernkomponist zu etablieren. Florenz und Venedig boten dem 21jährigen, der sich in Hamburg an der Oper auf dem Gänsemarkt die ersten Sporen verdient hatte, das ideale Betätigungsfeld.

In Rom hingegen waren Opernaufführungen durch päpstliches Dekret verboten. Das Erdbeben, das 1703 Mittelitalien heimgesucht hatte, war Anlass gewesen, das Verbot einer als lasterhaft betrachteten Kunst zu bekräftigen. Dennoch blühte die Musikpflege in Rom dank einiger wohlhabender Mäzene, darunter Kardinal Benedetto Pamphilj, einem klerikalen Opernenthusiasten, der zuerst auf den jungen Deutschen aufmerksam wurde und schon bald dessen kompositorischen Fähigkeiten entdeckte. Ihm ist der Auftrag zu Händels erstem Oratorium, «Il trionfo del tempo e del disinganno», zu verdanken, wozu er selbst den Text verfasste.

Die Gattung des italienischen Oratoriums diente seit dem Ende des 17. Jahrhunderts als brauchbarer Ersatz für die Oper überall dort, wo dramatische Darstellungen verboten waren oder zu Zeiten des kirchlichen Jahres, wie etwa die Fastenzeit, in denen sie als unpassend empfunden wurden. Die frühesten Oratorien wurden in lateinischer Sprache gesungen, doch bildete sich daneben auch das volkssprachliche Oratorium heraus, dass sich im Laufe seiner hundertjährigen Geschichte immer mehr der Oper angenähert hatte. Das ursprüngliche epische Element der Gattung, der z. B. vom Evangelisten vorgetragenen verbindende Erzähltext, war am Ende des Jahrhunderts einer vollständigen Dramatisierung der Handlung gewichen. Die Aufführungen hatten sich vom Betsaal («oratorio») in die Paläste oder Theater verlagert.

Obwohl keinerlei Belege überliefert sind, ist anzunehmen, dass Händels Oratorium, dessen Direktionspartitur am 14. Mai 1707 fertiggestellt worden war, kurz darauf im Teatro des Collegio Clementino zur Uraufführung gelangte. Das Libretto Benedetto Pamphiljs reflektiert in allegorischer Form das Thema der Vergänglichkeit alles Irdischen. Zu Beginn des Werkes betrachtet sich Bellezza in einem Spiegel, voller Zweifel, wie lange sie sich ihrer Reize wohl noch erfreuen könne. Die Einflüsterungen von Piacere zerstreuen zunächst ihre Sorgen, doch Tempo und Disinganno treten zum Wettstreit an, um die Schönheit dem «wahren Vergnügen» eines enthaltsamen Lebens zuzuführen.

In rascher Folge wechseln die Argumente: Piacere preist die Sorglosigkeit der Jugend, Tempo malt die grauenvollen Folgen der Vergänglichkeit aus, während Disinganno den Pfad der Tugend weist. Die zentrale Szene des ersten Teils ist dem Reich des Vergnügens gewidmet – Händel selbst tritt auf und verzaubert durch sein Orgelspiel. Bellezza wird nachdenklich, da – trotz aller Versprechungen Piaceres –, Tempo und Disinganno es immer wieder schaffen, sie mit ihren Argumenten nachdenklich zu stimmen.

Zu Beginn des zweiten Teils offenbart Tempo das Reich der Wahrheit. Zunächst verschliesst Bellezza ihre Augen davor, doch mehr und mehr in die Enge gedrängt, stellt sie sich schliesslich dem Gedanken an ihre Vergänglichkeit. Sie entsagt allem Schmuck, zerstört den trügerischen Spiegel, der ihr ewige Schönheit vorgaukelt und verwünscht, das Vergnügen jemals kennengelernt zu haben. Als Nonne will sie einsam in abgelegenen Klöstern ihr Leben beenden. In ihrer Schlussarie bittet sie den auserwählten Botschafter des Himmels um Beistand.

Welchen Stellenwert der Komponist selbst diesem Werk beimass, lässt sich aus dem Umstand ableiten, dass Händel sich im Laufe seines Lebens immer wieder mit diesem Oratorium beschäftigte: Einige der schönsten Arien übernahm er in spätere Opern; so stammt etwa die nachmals als «Lascia ch'io pianga» berühmt gewordene Arie aus der Oper «Rinaldo» diesem Frühwerk, aber auch in «Agrippina» begegnen wir einigen Arien aus «Il trionfo» wieder. Anfang April 1737 wurde das Oratorium in einer umgearbeiteten und erweiterten Fassung unter dem Titel «Il trionfo del tempo e della verità» in London aufgeführt. Die letzte Fassung – «The triumph of time and truth» –, für die der Pfarrer Thomas Morell den englischen Text geliefert hatte, gelangte 1757 in London in Covent Garden zur Aufführung und sollte das letzte Werk des damals bereits erblindeten Komponisten bleiben.

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