Dass der Staat nun einsteigen und die Millionengehälter der Herren Kahn
und Co durch Bürgschaften finanzieren soll, ist völlig absurd.
Aha, auch ein Neider!
Ich komme zurecht. Die Gehälter der Fußballer bewegen doch sich längst
außerhalb jeder Relation und stehen in keinem reellen Zusammenhang mit dem
Produkt, das sie abliefern. Die Situation gibt jetzt Gelegenheit, die gesamte
wirtschaftliche Situation den Gegebenheiten anzupassen. Das kann eine Chance
sein.
Die erstklassigen Spieler werden abwandern, die Liga wird im Mittelmaß versinken.
Na und? Dies ist doch eine unselige Spirale: Die Vereine brauchen mehr
Geld, um international mithalten zu können, um damit wieder mehr Geld zu
verdienen, das für neue Spieler gebraucht wird, damit - und so weiter.
Ihr Rat wäre also, frei nach Hermann Hesse: Nimm Abschied und gesunde?
Im Zweifel ja. Ein Theater in der Provinz kann sich auch die Gagen der
Metropolitan Opera nicht leisten, und trotzdem gehen die Leute hin. Was ist
denn so schlimm daran, wenn wir mal zwei Jahre lang im internationalen Geschäft
nicht vertreten sind? Die Spiele gegen Liverpool sind doch nicht wirklich
besser als die gegen Schalke 04.
Kann es sich eine Kulturnation leisten, fragt sich mancher, den hochklassigen
Fußball, in dem viele ein Kulturgut sehen, vor die Hunde gehen zu lassen?
Die Kulturnation leistet sich im Augenblick ganz andere Dinge, nämlich
dass es nicht genügend Kindergartenplätze gibt, dass viele Kommunen veröden,
auch weil sie für die Bibliotheken, Museen, Theater, Orchester kein Geld
mehr haben. Erst wenn die deutsche Kulturnation ihren Pflichten in diesen
Bereichen nachgekommen ist, denke ich darüber nach, ob Fußball ein Kulturgut
ist.
Und?
Wenn ich gute Laune habe, würde ich sagen: Ja. Im Augenblick habe ich
aber keine gute Laune, wenn ich sehe, wie viel Kultur im engeren Sinne auf
der Strecke bleibt. Fußballvereine werden geführt wie Unternehmen, sie spekulieren
mit und an der Börse. Wenn denen jetzt ein Hauptfinanzier verloren geht,
müssen sie sehen, wo sie andere herbekommen.
Und wenn sie keinen finden, Konkurs anmelden wie andere Unternehmen auch?
Ja, das wäre wohl die letzte Konsequenz.
Und womit würden sich dann Jürgen Flimm, Walter Jens und viele andere
Intellektuelle in ihrer Freizeit beschäftigen, all jene, für die der Fußball
ja weniger eine körperliche Betätigung als vielmehr Gegenstand hoch emotionaler,
um nicht zu sagen, sinnlicher Auseinandersetzung ist?
Fußball, das ist doch klar, ist das schönste aller Spiele. Die Tatsache,
dass dabei derjenige gewinnt, der so ein merkwürdiges rundes Ding am häufigsten
ins Netz schießt, ist schon ein merkwürdig atavistischer Vorgang. Hinzu kommt,
dass fast alle, die darüber reden, einmal selbst gespielt haben. Dieses Vergnügen
habe ich allerdings auch bei meinem Dorfverein in Wischhafen. Man weiß genau,
was für ein Gefühl das ist, wenn man einen Ball anschneidet, wenn man ihn
mit dem Außenrist oder dem Vollspann schießt. Das Gefühl ist bei den meisten
sofort abrufbar, wir haben das alle noch im Fuß. Und wenn man den Profis
zuschaut, dann zuckt der eigene Vollspann im teuren italienischen Lederschuh!
Gibt es eine höhere Form der Identifikation?
Wäre also doch eigentlich schade drum, oder?
Das kann man wohl sagen. Aber so weit wird es nicht kommen. Ich hoffe,
der Warnschuss ist bei den Clubs angekommen. So manches Fußballspiel hat
nach einem heftigen Warnschuss ja auch noch ein gutes Ende gefunden.