Das Bündnis für Theater:
Jürgen Flimm erklärt es und erklärt es wiederum nicht, was vielsagend ist
KUNST & KULTUR: Der "Runde Tisch", ein alter Vorschlag neu aufgemöbelt,
um den Theatern ihre "kreativen Räume" zu bewahren? Sie klangen optimistisch
ob des Vorschlags von Bundespräsident Rau in Berlin bei der Jahrestagung
des Deutschen Bühnenvereins.
JÜRGEN FLIMM: Ich kann nicht sagen, dass das meinen Optimismus geweckt
hat. Ich fand nur die Anregung des Bundespräsidenten sehr gut, ein Bündnis
für Theater zu schaffen. Es geht um keinen "runden Tisch", es geht um ein
Bündnis. Als hoffnungsloser Optimist glaube ich allerdings, dass Leute miteinander
darüber reden müssen, wie wir aus der Misere rauskommen, wie die Situation
der Theater-Finanzierung ist und was wir machen müssen.
K & K: Vorschläge, sich zusammen zu setzen, gibt es schon ewig.
Und der Deutsche Bühnenverein unter Ihrem Vorgänger August Everding hat sogar
Punkte-Papiere verfasst. Seither haben sich die "kreativen Räume" dramatisch
verengt.
FLIMM: Jetzt soll es ein Bündnis für Theater sein, um dessen Zukunft
zu sichern. Das hat es noch nicht wirklich gegeben. Papiere, die kann man
über die Wäscheleine hängen. Da weht der Wind rein, es raschelt ein wenig,
und dann ist es vorbei. Ich glaube auch, dass sich die Situation total verschärft
hat. Wenn sie die Forderungen der ÖTV sehen, die Streikbekundungen und Schily
hören, der sagt, die Kommunen können nicht weiter hoch gehen, dann ist das
nur die eine Seite. Dann aber kommt das auf die Theater zugerauscht. Dann
nämlich sagen die Kommunen: Euch aber können wir das nicht geben, das sind
ja freiwillige Ausgaben. Und so werden viele Theater richtig in die Knie
gehen. Dann muss man die Gewerkschaften bei ihrer gesellschaftlichen Verantwortung
packen und sagen: Es geht nicht nur mehr um Eure Arbeitsplätze, ihr helft
mit, Theater platt zu machen.
K & K: Stopp! Nicht die Gewerkschaften schließen Bühnen oder Sparten! Das ist eine Folge kommunaler Politik.
FLIMM: Das müsssen Sie mir nicht erzählen, dass das Folgen kommunaler
Politik sind, Fehler von immer höheren Ausgaben. Aber aus dem Dilemma kommt
man nicht mehr raus. Objektiv haben die kein Geld, das macht sich ja keiner
klar. Und die Lust der Politiker, sich damit auseinanderzusetzen, wird immer
geringer.
K & K: Sie sprechen vom Rascheln des Papiers. Wie sehen denn die
Vorschläge des Deutschen Bühnenvereins aus, damit nicht wieder geraschelt
wird? Konkret, drei Punkte, damit wir sehen, dass dieses Bündnis für Theater
nicht auch zum Gelaber wird.
FLIMM: Das will ich jetzt nicht sagen.
K & K: Der Bühnenverein wird doch aber eine Generallinie haben?
FLIMM: Die Generallinie muss die sein, die Kommunen an den Tisch zu
bringen. Wir sitzen ja zwischen Baum und Borke, und im Moment mag ich diesen
Platz nicht so gern. Man muss die Kommunen fragen: Wieso behandelt Ihr Eure
Arbeitnehmer in den Kultur-Instituten als Arbeitnehmer zweiter Klasse. Wieso
nehmt Ihr diese Leute, die täglich in den Theatern eine harte Arbeit erbringen,
von dem aus, was Ihr verhandelt. Das ist die erste Frage. Die nach der ungeheuren
Portion Ungerechtigkeit. Da kann man sicher mit den Gewerkschaften gemeinsam
gehen. Andererseits müssen wir den Gewerkschaften sagen: Liebe Gewerkschaften,
wenn die Kommunen sich so verhalten, wie sie sich verhalten, können wir das
leider nicht mehr bezahlen. Es gibt ja schon Theater, wo die Angestellten
des Öffentlichen Dienstes mehr verdienen als die Künstler. Wieso eigentlich?
K & K: Also wollen Sie ans Tarifwerk ran?
FLIMM: Muss man , ist doch klar.
K & K: Fordern Sie mehr Hausverträge?
FLIMM: Gibt's ja schon an 25 oder 30 deutschen Theatern. So 'ne Revolution
ist das ja nun nicht, an bestimmten Theatern zu bestimmten anderen Regelungen
zu kommen.
K & K: Apropos Revolution: Was meine Sie, sind Theater-Schließungen
wie in Frankfurt oder Herabstufungen wie in Schwerin Testfälle der Kommunen,
wie weit sie gehen können, ohne den Aufstand der Bürger zu provozieren?
FLIMM: Ich möchte den Politikern nicht unterstellen, dass das zynische
Vorgänge sind. Das wäre schrecklich. Ich glaube, dass dies aus kommunaler
Not entsteht, es nur noch um Mängelverwaltung geht.
K & K: Wann wird es die erste Runde des Bündnisses für Theater geben?
FLIMM: Das weiß ich nicht. Das ist Sache des Bundespräsidenten, der das Bündnis einberufen will. Ich hoffe, das kann im Herbst sein.