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...DER SONNE LEUCHTEN
IST IHR KLEID

INTERVIEW

REVIEWS







MUSICHE DI

JOHN ADAMS - ALBAN BERG - H.I.F. VON BIBER
DAVID LANG - JAMES MACMILLAN - ERKKI-SVEN TÜÜR

SCENOGRAFIA DI FLORIAN ETTI

COSTUMI DI CLAUDIA BINDER

ORCHESTER DER OPER ZÜRICH
CHRISTOPH KÖNIG

LIUBA CHUCROVA
SOPRANO


© Magazin Opernhaus Zürich
Pubblicato con autorizzazione
scritta della Dramaturgie



Heinz Spoerli choreographiert und inszeniert seit einigen Wochen sein Werk über Engel. Der Titel «...der Sonne Leuchten ist ihr Kleid» verdeutlicht die Unfassbarkeit und Unbeschreiblichkeit der Engel: Für Heinz Spoerli genau die Richtung, in die ergehen wollte! Engel sind nur Konzepte in den Vorstellungen der Menschen, sie sind jenseits aller Vorstellungen, der Mensch will einen Engel, der auch menschlich ist, so dass er sich ihm annähern kann. Das hellste, gleissendste Licht kommt dem unfassbaren Wesen der Engel vielleicht am nächsten, so wie die Sonne unbeschreiblich, nicht erfassbar ist. Wir können in das Licht der Sonne auch nicht schauen, aber alles betrachten, was von ihr beleuchtet wird. Das will sagen, dass die Sonne sinnhaft der Schöpfer in unserem sichtbaren Universum ist.





Das Engelthema lässt nur ein Erahnen und Erspüren zu, so wird die eigenwillige Erzählweise des Balletts deutlich auf den Menschen zurückführen, der im Mittelpunkt des Schaffens von Heinz Spoerli steht, mit derAbsicht, den Engeln einen Rahmen zu geben, um die Auseinandersetzung und Begegnung von Menschen mit dem Leben in explizierterer Gestaltung zu verdichten. Wichtig ist Heinz Spoerli, für einmal die unergründbaren Dimensionen des Menschen der heutigen Zeit auszuloten.


Der Kampf zwischen Gut und Böse wird ausgefochten, solange die Welt besteht. So wie wir immer wieder in uns selbst die dunkle, erschreckende Seite entdecken und wahrhaben müssen, so finden wir auch in den Weiten der Engel das Gegenprinzip, das wir «das Böse» nennen. Hier kann der Blick in die fern liegende Geschichte der Engelmythologien verschiedener Kulturen helfen, um zu verstehen, dass das «Böse» seine Existenzberechtigung im göttlichen Schöpfungsdrama hat. Die Mythen, Legenden und Symbole bei allen Völkern sind sich ähnlich.


Der Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung deutete Engel als «seelische Mächte, welche uralt geheiligte Namen tragen.» Er spricht von archetypischen Bildern im Unterbewusstsein eines jeden Menschen. Da siedelt er die seelischen Mächte der Engel an. In seinen «Psychologischen Betrachtungen» nimmt er Bezug auf die eigene Erkenntnisarbeit; warum es wichtig ist, dassjeder in sich selbst nach einer spirituellen Quelle sucht:

«In jedem von uns ist auch ein anderer, den wir nicht kennen. Er spricht zu uns durch den Traum und teilt uns mit, wie anders er uns sieht, als wie wir uns sehen. Wenn wir uns daher in einer unlösbaren schwierigen Lage befinden, so kann der fremde Andere uns unter Umständen ein Licht aufstecken, weiches wie nichts geeignet ist, unsere Einstellung von Grund auf zu verändern, nämlich eben jene Einstellung, die uns in die schwierige Lage hineingeführt hat. Die meisten unserer Schwierigkeiten rühren daher, dass wir den Kontakt zu unseren Instinkten, zu der uralten, unvergessenen Weisheit, die in jedem von uns gespeichert ist, verloren haben.»


Für das Ballettwurde Musik von Alban Berg und Heinrich Ignaz Franz von Biber ausgewählt,die neuzeitlichen Kompositionen von John Adams, Erkki-Sven Tüür, David Lang und James Macmllan gegenüber stehen. Christoph König, derzeit 1. Kapellmeister an der Oper in Bonn, wird die Uraufführung des Balletts musikalisch leiten. In Zürich ist Christoph König kein Unbekannter, er dirigierte schon einige Produktionen am Opernhaus. ZurMusikauswahl von Heinz Spoerli sagt er: «Es ist eine Zusammenstellung von Musik, die sich nicht sinfonisch entwickelt, eher Blöcke nebeneinander stellt. Das ist sehr interessant. Lollapalooza von Adams beispielsweise lebt durch Klangaufschichtungen, andere wie die von Tüür führen uns in die estnischen Wälder, breiten eine geheimnisvolle Landschaft aus. Wie eine Kette verbinden die Lieder von Alban Berg den Abend und schaffen einen Zusammenhang».


Bevor die Arbeit mit den Tänzern begann, hat sich Heinz, Spöerli,mit dem Bühnenbildner Florian Etti getroffen, mit dem er schon einige Male zusammenarbeitete. Er vertraut auch in dieser Produktion, dass ein Bühnenraum entsteht, derdem Zuschäuer hilft, seine Phantasie zu beflügeln. Wenn wir unsere Bilder und Vorstellungen von Engeln zu erweitern bereit sind, dann werden wir die Assoziationen und Umdeutungen, der - Symbole verstehen, die Heinz Spoerli bildhafte Welt hineinlegen.Dazu Florian Etti: «...die Phantasien gehen von den Menschen aus, wie sie sich Jenseitswelten,vorstellen, den Bühnenraum erschaffe ich. Ich nehme eine Halbröhre, Podeste und Treppen, alles Verlängerungen einer Achse in den Himmel. Seitliche Stege führen in den Bühnenhintergrund. Das alles sind für mich Möglichkeiten, der Schwerkraft der Erde zu entkommen».


Bei Entwurf und Entwicklung der Kostüme arbeitet Heinz Spoerli wieder mit Claudia Binder zusammen. Anders als beim Bühnenbild, dass eine fest umrissene Form hat, entwickeln sich die Kostüme permanent, so dass man im derzeitigen Probenstadium noch nicht absehen kann, welches endgültige Aussehen sie bekommen werden.


In den Proben, die nun intensiv seit einigen Wochen laufen, wird deutlich, dass Heinz Spoerii seine eigene Sprache findet und erfindet, wie Engel sprechen, dass heisst natürlich tanzen sollen. Vorbereitete Konzepte und erarbeitete Vorstellungen werden im Ballettsaal auf Machbarkeit und Gültigkeit untersucht. Sehr schnell stellt sich so heraus, in welche Richtung das Stück Gestalt annehmen wird.


Probenarbeit im Ballettsaal ist Schwerstarbeit und gleichzeitig der kreativste Teil im Schaffen eines Choreographen. Es braucht grosse Konzentration, damit sich die nötige Atmosphäre einstellt, in der ein Künstler wie Heinz Spoerli die Bilder in sich wahrnehmen kann, die aus dem Kontext zur gehörten Musik und einer vorgefassten Idee entstehen.


Vortastend, Schritt um Schritt, Bewegungsablauf um Bewegungsablauf, skizziert sich so eine expressiv-erzählende Tanzfolge, die Heinz Spoerli seinen Tänzern und Tänzerinnen vorlegt - gelegentlich auch demonstriert, wo nötig. Immer wieder überlässt er die Gruppe dem Ballettmeister, der die angelegten Schritte mit der Gruppe durcharbeitet, damit Heinz Spoerli mit nötigem Abstand die Szene nach einer halben Stunde oder am nächsten Tag kritisch begutachten oder gleich in einer Korrektur verbessern kann. Der schöpferische Prozess will nicht unterbrochen sein. Seine Arbeitsweise ist von Optimismus und Spontaneität geprägt, die sich auf seine Tänzer übertragen sollen, damit die Geschichte, die im Choreographen entsteht, vermittelt werden kann.


Heinz Spoerli hat sein Ausdrucksvokabular und findet seine eigene Sprache, um den Engeln einen ganz persönlichen Stempel aufzudrücken. Mit Augenzwinkern wird er uns einen Exkurs in seine himmlischen Vorstellungswelten geben, wird Engel sichtbar werden lassen: Den heiligen Engeln wird schon alles heilig sein, behaupten wir mal! Im Himmel wird es auch keine gestrenge Ernsthaftigkeit geben, sondern nur göttliche Heiterkeit. Sicher würde Heinz Spoerli unumwunden zugeben, dass er noch keinen Engel gesehen hat, dass er zu den seriösen Leuten gehört, die eben keine Engel kennen, noch Kontakt zu ihnen haben. Bitteschön, wir sind hier auf dem Theater, und so soll das auch für das Ballett bleiben.


Künstler stehen in der schöpferischen Freiheit, sich aller logischen Einordnungen und systematischen Beschreibungen zu entziehen und ihre Sichtweisen und Interpretationen einem offenen Publikum mitzuteilen. Hier fängt das Geheimnis jeder Kunstform an: Die Vision eines Künstlers wird in der Vorstellung des Betrachters zum eigentlichen Kunsterlebnis.




© PETER SCHNETZ BENKENSTRASSE 82 BASEL