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HEINZ SPOERLI


NEUBEGINN IN ZÜRICH

BALLETT FASCINATION pp. 68-69

In Düsseldorf hatten sich Mitte der neunziger Jahre unliebsame Schwierigkeiten gehäuft. Der Deutschen Oper am Rhein drohte - wie wohl den meisten öffentlich subventionierten Häusern Europas - eine massive Etatkürzung von fast 20 Prozent. Wo sollte gespart werden? Intensiv war in der Öffentlichkeit eine Neuregelung der Tanzlandschaft im Ruhrgebiet diskutiert worden. Unter anderem schien es machbar, dass das Ballett der Deutschen Oper neben Düsseldorf und Duisburg auch noch mit Essen oder Köln kooperieren sollte. Der Plan scheiterte, als das Land NordrheinWestfalen dieses neue Landesballett bloss mit 300.000 Mark subventionieren wollte oder konnte.
Im September 1994 begannen die Verhandlungen mit Spoerli über eine Erneuerung seines Fünfahresvertrages ab 1996: Spoerli sollte auch unter dem neuen Generalintendanten Tobias Richter - auch er ein Schweizer Theatermann - die Geschicke des Balletts leiten. Ober die persönlichen Bezüge des Ballettdirektors war man sich rasch einig. Im Raum standen aber andere, sachliche Forderungen Spoerlis, die allen Sparübungen zuwiderliefen. Unter anderem sollte der Ballett-Etat nicht gekürzt und der Ausstattungs-Etat sogar erhöht werden, das Ballett einen eigenen Manager und Budgetrechte erhalten und zudem die Kompanie vermehrt und regelmässig auf Tournee gehen können. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge.
In dieser schwierigen Situation häuften sich zudem fast peinliche Vorkommnisse. 25 Mitarbeiterinnen der Kostürnabteilung wandten sich mit einem offenen Brief gegen Spoerli, weil er fertiggestellte Kostüme im Wert von über 20000 Mark aus Qualitätsgründen nicht akzeptiert hatte. Düsseldorfs Ballettchef sei «nur manchmal charmant, manchmal aber auch ruppig» im Umgang. Kurz vor einer Premiere war der Chefbeleuchter nicht anwesend, weil er auswärts benötigt wurde - dass Spoerli daraufhin einen eigenen Beleuchtet mitbrachte, erzürnte die Verwaltung. Schwierigkeiten und lautstarken Zoff gab es öfters auch mit den Dirigenten, da erfahrene Ballettdirigenten rar sind und Spoerli seit jeher auch ans Dirigat hohe Anforderungen stellt. Die Gewerkschaften verboten den Tänzern eine Pausenregelung, welche sich diese in einer demokratischen Abstimmung mit grossem Mehr selber gegeben hatten -keiner der Tänzer war überhaupt in der Gewerkschaft. Diese und viele ähnliche Querelen wurden meist brühwarm der Presse zugespielt. Spoerlis Unbehagen wuchs: «Meine künstlerische Arbeit wird immer mehr eingeschränkt, die Verwaltungsaufgaben nehmen immens zu.» Im engern Freundeskreis äusserte er sich mehrmals dezidiert über die unangenehme Situation und seine Sehnsucht nach einem Theater mit überschaubaren, geordneten Verhältnissen.
In Zürich war inzwischen Opernhaus-Intendant Alexander Pereira auf der Suche nach einem neuen Ballettchef. Der Vertrag
von Ballettdirektor Bernd R. Bienert lief ebenfalls Mitte 1996 aus, er sollte aus verschiedenen Gründen nicht verlängert werden. Als Pereira anfang 1995 von interessierter Seite über die zähen Verhandlungen Spoerlis in Düsseldorf orientiert wurde, reagierte er rasch, aber unter höchster Geheimhaltung, da Spoerli in Düsseldorf weiter verhandelte. Als dort nach wie vor keine Einigung erzielt werden konnte und der «Dauerzank mit Verwaltung und Politik» («Express») weiterging, kündigte Spoerli am 24. März und unterschrieb drei Tage später den Schweizer Vertrag, obwohl seine persönlichen Bezüge in Zürich deutlich unter denen in Düsseldorf liegen werden: «Ich habe mir den Entschluss nicht leicht gemacht und gründlich überlegt. Ich gehe dorthin, wo ich meine künstlerische Arbeit am besten machen kann.» Beispielsweise an einem Haus wie Zürich, das durch die hohe Qualität der Oper weltweit einen guten Ruf besitzt und nicht wie Düsseldorf durch Intrigen und Finanzkräche ständig Schlagzeilen macht.
Verlust und Hoffnung
Im nachhinein wurden Spoerli in Düsseldorf von politischer Seite alle Forderungen nach einer weitgehenden Selbstverwaltung gewährt, wenn er bloss bleiben würde. Ein kleiner Teil der Presse schoss sich zwar rasch auf den scheidenden Ballettdirektor ein und griff ihn persönlich an. Der Grossteil der Kommentatoren bedauerte indessen den Weggang des «heiss umworbenen Weltstars»: «Wer hat gepennt?» wurde gefragt und ein «schwerer künstlerischer Verlust» ermittelt. In der Schweiz hingegen löste Spoerlis Entschluss grösstenteils Begeisterung aus: «Das Opernhaus setzt auf Nummer Sicher» freute sich beispielsweise Marlies Strech im «Tages-Anzeiger».
Einige der besten Mitarbeiter und gut ein Dutzend Tänzer folgen Spoerli von Düsseldorf nach Zürich: Unter ihnen Ballettmeister Peter Appel und Spoerlis langjähriger Assistent Chris Jensen sowie die jungen Tänzerstars Ilja Louwen, Olivier Lucea und François Petit. Ballettdirektor Heinz Spoerli selber aber fühlt sich bereit zu einem Neubeginn unter positivem Vorzeichen: «Ich komme mit sehr viel Freude und Spontaneität nach Zürich. Ich habe nach einer künstlerischen Veränderung gesucht und nach Freiraum für meine Kreativität. Beides lässt sich, davon bin ich überzeugt, hier in Zürich finden.»