GIUSEPPE VERDI

RIGOLETTO

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LIBRETTO DI FRANCESCO MARIA PIAVE

TUTTI I LIBRETTI DI F. M. PIAVE

BREVE INTRODUZIONE
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EINFÜHRUNG
MAGAZIN OPERNHAUS


© Magazin Opernhaus Zürich.
Pubblicato con autorizzazione
scritta della Dramaturgie.

Die Trias «Rigoletto», «Il Trovatore» und «La Traviata» markierte das Ende der «Galeerenjahre» - in sieben Jahren waren 13 Opern entstanden - und begründete gleichzeitig den Weltruhm Giuseppe Verdis.
Den Ausschlag für das überaus breite Publikumsinteresse gab Mitte des 19. Jahrhunderts sicherlich die Tagesaktualität der Stoffe: Jede dieser Opern basiert auf einem literarischen Werk, das kurz zuvor erschienen war (Hugos «Le roi s'amuse» 1832, Gutierrez' «El Trovador» 1836 und Dumas' «La dame aux camélias» 1848). Neben den wichtigsten Ingredienzen romantischer Schauergeschichten wie flammende Leidenschaften, soziale Schranken überwindende Liebe, unerbittliche Familien, unglückliche Verstrickungen und fatale Missverständnisse, Schicksal, Ehre, Rache und Tod erregten auch die ungewohnten Hauptfiguren die Neugier und das Mitleid des bürgerlichen Publikums: Erstmals wurden in eindringlicher Weise gesellschaftliche Aussenseiter ins Zentrum des Geschehens gerückt.




RIGOLETTO

Indem sie einen Missgestalteten, eine Zigeunerin, eine Kurtisane nicht länger als Objekte der Verachtung, sondern als echte Menschen mit gefühlvollem Herz und reiner Seele zeigten, brachen diese Autoren mit gängigen Theaterkonventionen. Dem selbstzufriedenen Publikum hielten sie einen Spiegel vor, in dem es erkennen musste, dass es nicht irgendwelche Äusserlichkeiten waren, welche die Feilheit solcher Figuren bedingten, sondern dass einzig die Feindlichkeit und Grausamkeit ihrer Umgebung sie in bestimmte, für minderwertig gehaltene gesellschaftliche Rollen zwang.
Von Dickens bis Dostojewski begannen sich zu jener Zeit im Zuge des beginnenden Realismus grosse Autoren und Künstler in zahlreichen Ländern ihrer Verpflichtung gegenüber den sozialen Missständen gewahr zu werden und ein solch arrogantes Denken durch ihre verstörenden Darstellungen des widrigen Lebens dieser «Erniedrigten und Beleidigten» zu denunzieren.
Die Macht der Musik vermochte dies aber schneller und direkter, und darin liegt das Geheimnis für den Erfolg Giuseppe Verdis. Jene Themen, die ihn von der literarischen Qualität, aber auch von der sozialen wie politischen Brisanz her faszinierten, vermochte er wie wenig andere prägnant und dramaturgisch effektvoll umzuformen und in ein klingendes Gewand zu kleiden, welches, da es ganz dem inhaltlichen Konzept unterworfen war, auf geradem Weg ins Herz trifft. Er fand zündende Melodien, löste sich aber auch von den Schemen der Konvention und erforschte neue musikalische und dramaturgische Formen, die ihre Gültigkeitzum Teil bis heute bewahrt haben.




GILDA

Die konsequente inhaltliche Logik, die Stringenzseiner musikalischen Sprache, zurgleichen Zeit seine Fähigkeit, Figuren und Situationen mit - im allerpositivsten Sinne - einfachen und daher unmittelbar die Emotionen ansprechenden Melodien zu zeichnen, sein Hervorheben der Gesangskantilene, die ebenfalls sofort ins Bewusstsein dringt, dies sind die Gründe, warum Verdis Opern die literarischen Vorlagen sofort überflügeln und sich über alle sprachlichen und kulturellen Barrieren hinweg eine bis heute andauernde Vorherrschaft erringen konnten.
Die Anrüchigkeit des Stoffes, womöglich aber auch der inhärente politische Zündstoff mögen zwar das Publikum angelockt haben; bei der in den unruhigen Jahrzehnten von Revolution und Restauration überaus strengen Zensurbehörde musste dies natürlich Anstoss erregen. War schon Victor Hugos Drama «Le roi s'amuse» 1832 am Tage nach der Pariser Uraufführung wegen «Immoral» suspendiert und am darauffolgenden sogar verboten worden, so hatte Giuseppe Verdi 1850-51 beim zuständigen österreichischen Amt in Venedig mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Da er aber im Vertrauen auf den Librettisten Piave und die Direktion des Teatro La Fenice angenommen hatte, das Stück werde passieren, hatte er die Oper zum Zeitpunkt der Ablehnung praktisch fertig komponiert und wollte sie unbedingtzur Aufführung bringen.
Nach einigem Ringen erklärte man sich zu Änderungen bereit: anstelle des Königs von Frankreich (ein regierender Monarch einer europäischen Grossmacht benimmt sich nicht unmoralisch...) wurde der fiktive Herzog des kleinen Staates Mantua erfunden, dann die Szene gestrichen, in welcher Blanche|Gilda öffentlich zu seiner Mätresse wird, schliesslich der Titel «La Maledizione» (der Fluch) geändert (damit er nicht auf die Ausschweifungen des Herrschers anspielt...). Nicht zuletzt sollten die Figuren Phantasienamen tragen. So wurde «Rigoletto» geboren. Der Komponist konnte sich damit zufriedengeben, wurden doch weder der Handlungsverlauf noch die Charakterisierung der Personen verändert, und schon bei der Uraufführung am 11. März 1851 wurde deutlich, dass hier ein bedeutendes Meisterwerk entstanden war.




IL DUCA DI MANTOVA

Für Regisseur Gilbert Deflo, der für seine Inszenierung erneut seinen langjährigen Ausstatter William Orlandi beigezogen hat, ist «Rigoletto» ein Werk, das aufs Engste mit seiner Entstehungszeit verbunden ist. Wohl liessen sowohl Victor Hugo als auch Verdi die Handlung in einer historischen bzw. fiktiven Vergangenheit spielen (das Frankreich François' I. - 1494-1547 - bzw. Mantua im 16. Jahrhundert); dem zeitgenössischen Publikum aber erschienen Thematik und Form modern. Dies hing mit dem romantischen Schauspiel an sich zusammen, das sich von den strengen Regeln des klassischen Dramas löste und nicht länger vollkommene oder einzelne ideale Wesenszüge verkörpernde Charaktere zeigte, sondern reale Menschen mit all ihren Gegensätzlichkeiten und Widersprüchen.
Dieses Theater war lebendig, anschaulich, voll szenischer und inhaltlicher Überraschungen, für ein breites Publikum geschrieben. Den Stoff empfand man darüber hinaus als immens politisch: neben der Tugendhaftigkeit wurde auch Auflehnung gezeigt, der Durst nach Freiheit. Man darf nicht vergessen, dass die junge Generation versuchte, auch in der Kunst die Ideen der Revolution zu realisieren. Verdi, der das Leiden eines unterdrückten Volkes sehrwohl kannte, transterierte in diesem Stück die Ideale des Risorgimento in die private Sphäre: die Liebe zur Tochter verkörpert über die Suche nach individuellem Glück hinaus ganz allgemein die grosse Utopie einer besseren Welt. Es ist klar, dass die neue Gesellschaft von 1830 neue Helden brauchte, und solche fand sie oft unter den Ausgestossenen, die sich im Konflikt mit der politischen Macht, den höheren sozialen Schichten befanden. In einer Zeit, in der das Übel und die Korruption regierten - in der Julimonarchie galt das Motto «Bereichert euch...» -, wurden Dinge wie «edle Gesinnung» und «spirituellerWert der Liebe» von den «verirrten» Intellektuellen hochgelobt.




MONTERONE - GIOVANNA

Neben dem Sublimen beschrieb das romantische Drama aber auch eine triviale und groteske Welt. Die Protagonisten sind nicht nur Fürsten, sondern auch Gesindel und Kriminelle; die Handlung konnte von den reichen Sälen der Paläste in die düsteren Kellergewölbe hinabsteigen. Auf der Bühne aber Prostitution in einem Wirtshaus zu zeigen, einen Prinzen, der Wein im Übermass trinkt, muss für die neue Bourgeoisie ein Schock gewesen sein.
Im Kleid der Vergangenheit kreideten Hugo und Verdi aber Zustände der Gegenwart an. Triboulet bzw. Rigoletto mag eine «historische» Figur sein, doch der Mann, der ein Herz hat - das des Vaters, der seiner Tochter mit besitzergreifender Liebe ergeben ist -, ist ein Produkt der Psychologie des 19. Jahrhunderts, ebenso das Bild des reinen Mädchens, das abgeschirmt von den Rauhheiten und Gefahren der Aussenweit zum ideal der bürgerlichen Ehefrau heranwächst, isoliert wie eine seltene Blume im Treibhaus. In der Figur des Rigoletto sehen wir aber auch die Personifizierung des Bürgertums, das seine Dienste einer widerrechtlich herrschenden Oberschicht anbiedernd verkauft, während sie diese, damit nicht zufrieden, auf grausame Art erniedrigt und ihr bestgehütetstes Kapital vernichtet: die jungen, reinen Töchter.
Überhaupt ist die Käuflichkeit ein Thema, nicht nur deswegen, dass Rigoletto durch seine Tätigkeit in übertragenem Sinne seine Seele dem Teufel «verkauft» hat. Zahllose Male wird das Wort «borsa» verwendet, alles wird gekauft: ein Mord, eine Dienerin, eine Prostituierte... Nicht einmal in seinem verzweifelten Aufbegehren gegen die Höflinge vergisst Rigoletto den «Wert» seiner Tochter: «A voi nulla per l'oro sconviene,|ma mia figlia è impagabil tesor!» (Für Gold ist euch nichts zu schade,|doch meine Tochter ist ein unbezahlbarer Schatz).




MADDALENA - SPARAFUCILE

Diese Doppelbödigkeit zu zeigen,die Psychologie des 19. Jahrhunderts unter dem historisierenden Mantel, die Abgründe hinter der Pracht des Hofes, die leidenden Menschen hinter den lustigen Masken, ist das Ziel dieser Inszenierung.
Wobei Gilbert Deflo der Arbeit mit den Sängerinnen und Sängern den grössten Wert beimisst: in der Oper - was oft vergessen wird - ist die Substanz des Stückes von der Musik determiniert. Es ist logisch, dass sie den Interpreten den dramatischen Ausdruck vorgibt und das Libretto bereits kommentiert. Zum Leben kommt das Werk jedoch erst durch die szenische Darstellung. Auch in einer bilderreichen, farbigen romantischen Oper sind es letztlich der szenische Ausdruck der Darsteller und die Wahrhaftigkeit der menschlichen Beziehungen auf der Bühne, die die Kraft einer Aufführung ausmachen.




CONTE E CONTESSA DI CEPRANO - PAGGIO

Für Nello Santi hat «Rigoletto» eine besondere Bedeutung, weil er mit dieser Oper 1951 sein Debüt als Dirigent gab. In Zürich leitete er Verdis Oper erstmals am 20. Januar 1960 mit Walter Hesse (Herzog), Willy Ferenz (Rigoletto) und Farah Afiatpour (Gilda) an der Spitze von zahlreichen Besetzungen; später folgten zwei andere Neuinszenierungen. Auf der ganzen Welt dirigierte er «Rigoletto», in New York, auf Amerika-Tourneen der Met, in den CaracallaThermen, in Verona (wo er u.a. 1995 seine 25. Saison in derArena eröffnete), in Hamburg und Genf mit grossen Sängern wie Gobbi, Protti, Reali und Tagliabue, Manuguerra, Quilico, Cappuccilli und Nucci... Verändert Nello Santi von Produktion zu Produktion seinen Zugang? Nein: nicht zu verändern versuche er, sondern zu verbessern, und das bei jeder Vorstellung. Dabei soll das Manuskript des Komponisten nicht als die letzte Wahrheit gelten, sonst verkommt die Aufführung zu einertrockenen Solfeggio-Übung.
Die «Wahrheit» ist eine aus vielen Aspekten zusammengesetzte Gesamtheit, bei der zum Beispiel auch die Zeit ein Faktor sein kann, nicht nur die der persönlichen Entwicklung, sondern etwa die Distanz, aus der wir auf ein Werk blicken. Auch die Tradition spielt dabei eine Rolle, aber nicht die heutzutage meist mit diesem Wort abschätzig bezeichnete Schlamperei, sondern eine Tradition der Überlieferung, der Bewahrung des Stils. Schliesslich hat ein Genre, jede Oper ihren Stil, und den gilt es unbedingt zu respektieren. Dazu gehören die Kadenzen, die Variationen, die Fermaten, Atempausen, das Ändern von Worten oder das Anpassen der Silbenverteilung. Das Grösste an Verdi, meint Nello Santi, war seine Fähigkeit, an sich selber zu wachsen, sich - mangels grösserer Konkurrenz - aufgrund seines eigenen Schaffens weiterzuentwickeln. Und wenn auch vieles in den Frühwerken vorgegeben ist - so kann man eine Linie vom Monolog Francescos in «I Masnadieri» (1847) über Rigolettos «Pari siamo» (1851) bis zu Fords «E sogno? O realtà?» in «Falstaff» (1893) ziehen -, legte er doch in seinem Leben einen beeindruckend langen Schaffensweg zurück.

«Rigoletto» ist im Laufe von 30 Jahren und 400 Vorstellungen auch für Leo Nucci ein Teil seiner selbst geworden, wobei am Anfang eine Aufführung steht, in der seine mit der gemeinsamen Tochterschwangere Frau die Gilda sang! Wie hat sich sein Verhältnis zu dieser Figur geändert? Vor allem, meint Leo Nucci, habe sie sich im Laufe der Zeit verinnerlicht; er habe sich beständig von der effektreichen, äusserlichen Geste entfernt, konzentriere sich heute bei stets knapperer szenischer Darstellung immer mehr auf die Suche nach dem Wort in der Musik - die ja alles enthält: die äusseren wie die inneren Vorgänge, untermalend und kommentierend. Und schon gibt Leo Nucci eine ganze Reihe von Beispielen, die bei weitem nicht nur die Figur des Rigoletto betreffen, und stellt nebenbei unter Beweis, dass er die gesamte Oper, jede noch so kleine Note, Harmonie, Orchesterfarbe in- und auswendig kennt.





ALABARDIERE - USCIERE - MARULLO

Zum Beispiel der Rigoletto verfolgende Satz «Quel vecchio maledivami» (Jener Alte hat mich verflucht): Dreimal singt er ihn in der Szene mit Sparafucile. Zweimal sind die Noten einfach punktiert - der Satz dreht sich unablässig in seinem Kopf. Sparafucile geht ab, Rigolettos Gedanken wenden sich von F-Dur zum helleren C-Dur und Gilda zu («Ma in altr'uomo qui mi cangio»| Doch hier werde ich ein anderer Mensch). Dieser Satz geht aber nicht direkt in das begeisterte Wiedersehens-Duett über. Plötzlich werden die gehaltenen C-Dur-Akkorde zu pochenden Achteln, dem letzten hat Verdi gar unvermittelt ein B (die kleine Septime) beigefügt: wie ein Stich meldet sich das Gewissen zurück, er erschrickt - und das dritte, bohrende «Quel vecchio» ist doppelt punktiert... - Das berühmte «Lara lara lara...» Rigolettos, der im Palast seine Tochter sucht, wird oft frei, mit Rallentandi und Fermaten gesungen. Verdi hat dieses Trällern aber «a tempo» geschrieben, die Melodie soll obsessiv sein, Rigolettos verzweifelte Entschlossenheit zeigen. - Oder der Sturm, der sich anbahnt: ein Akkord ohne die Terz, ein unvollständiger Akkord - das Unwetter zieht ja erst auf!

Viele weitere Details zeugen von Verdis Genie, der keine Note zufällig setzte. Manches ist schon unglaublich modern. Man bedenke nur, wieviele Filme noch heute den Effekt des «a bocca chiusa» summenden Chors verwenden... Der Gesang Rigolettos, ein eigentliches «recitar cantando», kein Singen von Arien, vielmehr ein singendes Rezitieren, ist fortschrittlich und zurückblickend zugleich - beinahe so, wie es sich die Erf inder der Oper zur Zeit Monteverdis gedacht hatten. So gesehen ist es nur konsequent, dass die einzige Figur, die formal mehr oder weniger herkömmliche Arien singt, der Duca ist, verkörpert er doch die überlieferte, überholte Ordnung, deren Einfluss sich die anderen zu entziehen suchen.

Auf überstürzte Weise schloss Isabel Rey 1987 in Oviedo mit der Gilda Bekanntschaft: Mit nur einem Tag Prieben stieg sie in eine Tourneeproduktion von «Rigoletto» ein! Sofort aber fühlte sie sich äusserst wohl in dieser Rolle, deren Tessitur wie für sie geschrieben scheint, und spürte, dass sie für ihre weitere Karriere von grosser Bedeutung sein würde.
Heute, nach zahlreichen anderen Neuproduktionen, ist sie so vertraut mit dieser Figur, dass sie sie je nach den Anforderungen der betreffenden Inszenierung färben kann. Das Faszinierende an der Gestalt der Gilda ist ja, dass sie einen weiten Bogen an Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt: von der ungehorsamen, auf den strengen Vater zornigen jungen Frau, bis zum unbefangenen, unschuldigen Mädchen, das, obwohl ihr Leben lang eingeschlossen, dennoch die Kraft aufbringt, ihr Leben hinzugeben für den ersten Mann, dessen Name sie kennt, von dem sie auch genau weiss, dass er keineswegs der Perfekte ist. Gildas Glück dauert nur einen kurzen Moment: im Duett mit dem verkleideten Herzog. Schon im Palast, wo sie sein wahres Gesicht erkennt, ist es vorbei. Die Todesszene aber, das zarte «Lassü nel ciel», ist Isabel Reys liebster Moment.




SERVO - PAGGI

Piotr Beczala sang den Duca di Mantova bereits mehrfach, doch ist dies nun seine erste «Rigoletto»-Neuinszenierung. Es sei schon ein spezielles Gefühl, eine Rolle zu singen, die jeder im Publikum auswendig kennt, auch wenn sie, wenn man eine sichere Technik und eine gute Höhe besitzt, rein sängerisch wohl nicht zu den anspruchsvollsten gehört. Man darf sich aber nicht von den grossen Vorbildern schrecken lassen, sondern muss versuchen, mit den eigenen Mitteln seine Interpretation, seine Gestaltung zu finden. Wie Leo Nucci und Isabel Rey betont auch Piotr Beczala, dass Sänger in «Rigoletto» nicht die Dramatik dieser Musik (z.B. mit der Grösse des Klangs oder dem Abdunkeln der Stimme) suchen dürfen, sondern einzig die ihr innewohnende Expressivität. So sollten auch bei der Figur des Duca, die oft für eindimensional gehalten wird, die verschiedenen, von Komponist und Librettist vorgegebenen Seiten herausgearbeitet werden.

In jedem seiner Auftritte ist der Duca -wie übrigens auch Mozarts Belmonte - ganz anders charakterisiert, und dies muss bei der Stimmfärbung und -führung genauso wie beim Darstellerischen beachtet werden: In der ersten Szene sehen wir den Duca als selbstbewussten, prahlerischen Herrscher, der alles haben kann, was er will, für den Verführung und Liebe ein ewiges Spiel ist. In Gildas Haus ist er zärtlicher, umwirbt sie sanft, empfindet erstmals etwas wie wahre Liebe, was ihm in der grossen Szene des 2. Aktes schmerzlich bewusst wird. Nach dem Moment der Reflexion in «Ella mi fu rapita» sehen wir im letzten Akt sein widerwärtigstes Gesicht: hier geht es ihm nur noch um Sex; man zahlt, tut es und basta. Die für einen Augenblick gefundene Menschlichkeit ist längst wieder verloren. Nichts finden wir abstossender. Und doch blicken wir ein wenig bewundernd auf diese Figur und ihre Verwegenheit, das Unbekümmerte, Strahlende (das nicht zuletzt von den Tonarten und vom musikalischen Duktus verstärkt wird) - schliesslich kommt sie ungestraft davon...

Seinen Widerpart findet Rigoletto in zwei unheimlichen Figuren: in Sparafucile, einer der Verdi-Paradepartien von Làszlò Polgàr, und im Grafen Monterone, erstmals gesungen von Pavel Daniluk. Jener, «ein Mann, der für wenig Geld einen Rivalen beseitigt», dessen Degen Rigoletto in seinem berühmten Monolog «Pari siamo» mit seiner eigenen Zunge vergleicht, verkörpert seine Zerstörungswut, den Hass auf die ihn verachtende Gesellschaft; dieser den im Innersten getroffenen, hilflos verzweifelten Vater.
Dass der Herzog an seiner eigenen Lust um ein Haar zugrundegeht, liegt an den Reizen der Maddalena von Carmen Oprisanu, die ihn als Lockvogel umgarnt. Ergänzt wird das Ensemble schliesslich von Valerly Murga, Bogusraw BidziAski, Giuseppe Scorsin sowie Mitgliedern des Internationalen Opernstudios.