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Die Trias
«Rigoletto», «Il Trovatore» und «La
Traviata» markierte das Ende der «Galeerenjahre» -
in sieben Jahren waren 13 Opern entstanden - und begründete
gleichzeitig den Weltruhm Giuseppe Verdis.
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Den Ausschlag für das
überaus breite Publikumsinteresse gab Mitte des 19. Jahrhunderts
sicherlich die Tagesaktualität der Stoffe: Jede dieser Opern
basiert auf einem literarischen Werk, das kurz zuvor erschienen war
(Hugos «Le roi s'amuse» 1832, Gutierrez' «El
Trovador» 1836 und Dumas' «La dame aux
camélias» 1848). Neben den wichtigsten Ingredienzen
romantischer Schauergeschichten wie flammende Leidenschaften, soziale
Schranken überwindende Liebe, unerbittliche Familien,
unglückliche Verstrickungen und fatale Missverständnisse,
Schicksal, Ehre, Rache und Tod erregten auch die ungewohnten
Hauptfiguren die Neugier und das Mitleid des bürgerlichen
Publikums: Erstmals wurden in eindringlicher Weise gesellschaftliche
Aussenseiter ins Zentrum des Geschehens gerückt. |
RIGOLETTO
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Indem sie einen
Missgestalteten, eine Zigeunerin, eine Kurtisane nicht länger
als Objekte der Verachtung, sondern als echte Menschen mit
gefühlvollem Herz und reiner Seele zeigten, brachen diese
Autoren mit gängigen Theaterkonventionen. Dem selbstzufriedenen
Publikum hielten sie einen Spiegel vor, in dem es erkennen musste,
dass es nicht irgendwelche Äusserlichkeiten waren, welche die
Feilheit solcher Figuren bedingten, sondern dass einzig die
Feindlichkeit und Grausamkeit ihrer Umgebung sie in bestimmte,
für minderwertig gehaltene gesellschaftliche Rollen zwang.
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Von Dickens bis Dostojewski
begannen sich zu jener Zeit im Zuge des beginnenden Realismus grosse
Autoren und Künstler in zahlreichen Ländern ihrer
Verpflichtung gegenüber den sozialen Missständen gewahr zu
werden und ein solch arrogantes Denken durch ihre verstörenden
Darstellungen des widrigen Lebens dieser «Erniedrigten und
Beleidigten» zu denunzieren.
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Die Macht der Musik
vermochte dies aber schneller und direkter, und darin liegt das
Geheimnis für den Erfolg Giuseppe Verdis. Jene Themen, die ihn
von der literarischen Qualität, aber auch von der sozialen wie
politischen Brisanz her faszinierten, vermochte er wie wenig andere
prägnant und dramaturgisch effektvoll umzuformen und in ein
klingendes Gewand zu kleiden, welches, da es ganz dem inhaltlichen
Konzept unterworfen war, auf geradem Weg ins Herz trifft. Er fand
zündende Melodien, löste sich aber auch von den Schemen der
Konvention und erforschte neue musikalische und dramaturgische
Formen, die ihre Gültigkeitzum Teil bis heute bewahrt haben.
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GILDA
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Die konsequente inhaltliche
Logik, die Stringenzseiner musikalischen Sprache, zurgleichen Zeit
seine Fähigkeit, Figuren und Situationen mit - im
allerpositivsten Sinne - einfachen und daher unmittelbar die
Emotionen ansprechenden Melodien zu zeichnen, sein Hervorheben der
Gesangskantilene, die ebenfalls sofort ins Bewusstsein dringt, dies
sind die Gründe, warum Verdis Opern die literarischen Vorlagen
sofort überflügeln und sich über alle sprachlichen und
kulturellen Barrieren hinweg eine bis heute andauernde Vorherrschaft
erringen konnten.
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Die Anrüchigkeit des
Stoffes, womöglich aber auch der inhärente politische
Zündstoff mögen zwar das Publikum angelockt haben; bei der
in den unruhigen Jahrzehnten von Revolution und Restauration
überaus strengen Zensurbehörde musste dies natürlich
Anstoss erregen. War schon Victor Hugos Drama «Le roi
s'amuse» 1832 am Tage nach der Pariser Uraufführung wegen
«Immoral» suspendiert und am darauffolgenden sogar
verboten worden, so hatte Giuseppe Verdi 1850-51 beim
zuständigen österreichischen Amt in Venedig mit den
gleichen Problemen zu kämpfen. Da er aber im Vertrauen auf den
Librettisten Piave und die Direktion des Teatro La Fenice angenommen
hatte, das Stück werde passieren, hatte er die Oper zum
Zeitpunkt der Ablehnung praktisch fertig komponiert und wollte sie
unbedingtzur Aufführung bringen. |
Nach einigem Ringen
erklärte man sich zu Änderungen bereit: anstelle des
Königs von Frankreich (ein regierender Monarch einer
europäischen Grossmacht benimmt sich nicht unmoralisch...) wurde
der fiktive Herzog des kleinen Staates Mantua erfunden, dann die
Szene gestrichen, in welcher Blanche|Gilda öffentlich zu seiner
Mätresse wird, schliesslich der Titel «La
Maledizione» (der Fluch) geändert (damit er nicht auf die
Ausschweifungen des Herrschers anspielt...). Nicht zuletzt sollten
die Figuren Phantasienamen tragen. So wurde «Rigoletto»
geboren. Der Komponist konnte sich damit zufriedengeben, wurden doch
weder der Handlungsverlauf noch die Charakterisierung der Personen
verändert, und schon bei der Uraufführung am 11. März
1851 wurde deutlich, dass hier ein bedeutendes Meisterwerk entstanden
war.
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IL DUCA DI MANTOVA
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Für Regisseur Gilbert
Deflo, der für seine Inszenierung erneut seinen
langjährigen Ausstatter William Orlandi beigezogen hat,
ist «Rigoletto» ein Werk, das aufs Engste mit seiner
Entstehungszeit verbunden ist. Wohl liessen sowohl Victor Hugo als
auch Verdi die Handlung in einer historischen bzw. fiktiven
Vergangenheit spielen (das Frankreich François' I. - 1494-1547
- bzw. Mantua im 16. Jahrhundert); dem zeitgenössischen Publikum
aber erschienen Thematik und Form modern. Dies hing mit dem
romantischen Schauspiel an sich zusammen, das sich von den strengen
Regeln des klassischen Dramas löste und nicht länger
vollkommene oder einzelne ideale Wesenszüge verkörpernde
Charaktere zeigte, sondern reale Menschen mit all ihren
Gegensätzlichkeiten und Widersprüchen. |
Dieses Theater war
lebendig, anschaulich, voll szenischer und inhaltlicher
Überraschungen, für ein breites Publikum geschrieben. Den
Stoff empfand man darüber hinaus als immens politisch: neben der
Tugendhaftigkeit wurde auch Auflehnung gezeigt, der Durst nach
Freiheit. Man darf nicht vergessen, dass die junge Generation
versuchte, auch in der Kunst die Ideen der Revolution zu realisieren.
Verdi, der das Leiden eines unterdrückten Volkes sehrwohl
kannte, transterierte in diesem Stück die Ideale des
Risorgimento in die private Sphäre: die Liebe zur Tochter
verkörpert über die Suche nach individuellem Glück
hinaus ganz allgemein die grosse Utopie einer besseren Welt. Es ist
klar, dass die neue Gesellschaft von 1830 neue Helden brauchte, und
solche fand sie oft unter den Ausgestossenen, die sich im Konflikt
mit der politischen Macht, den höheren sozialen Schichten
befanden. In einer Zeit, in der das Übel und die Korruption
regierten - in der Julimonarchie galt das Motto «Bereichert
euch...» -, wurden Dinge wie «edle Gesinnung» und
«spirituellerWert der Liebe» von den
«verirrten» Intellektuellen hochgelobt.
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MONTERONE - GIOVANNA
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Neben dem Sublimen
beschrieb das romantische Drama aber auch eine triviale und groteske
Welt. Die Protagonisten sind nicht nur Fürsten, sondern auch
Gesindel und Kriminelle; die Handlung konnte von den reichen
Sälen der Paläste in die düsteren Kellergewölbe
hinabsteigen. Auf der Bühne aber Prostitution in einem Wirtshaus
zu zeigen, einen Prinzen, der Wein im Übermass trinkt, muss
für die neue Bourgeoisie ein Schock gewesen sein.
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Im Kleid der Vergangenheit
kreideten Hugo und Verdi aber Zustände der Gegenwart an.
Triboulet bzw. Rigoletto mag eine «historische» Figur
sein, doch der Mann, der ein Herz hat - das des Vaters, der seiner
Tochter mit besitzergreifender Liebe ergeben ist -, ist ein Produkt
der Psychologie des 19. Jahrhunderts, ebenso das Bild des reinen
Mädchens, das abgeschirmt von den Rauhheiten und Gefahren der
Aussenweit zum ideal der bürgerlichen Ehefrau heranwächst,
isoliert wie eine seltene Blume im Treibhaus. In der Figur des
Rigoletto sehen wir aber auch die Personifizierung des
Bürgertums, das seine Dienste einer widerrechtlich herrschenden
Oberschicht anbiedernd verkauft, während sie diese, damit nicht
zufrieden, auf grausame Art erniedrigt und ihr bestgehütetstes
Kapital vernichtet: die jungen, reinen Töchter.
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Überhaupt ist die
Käuflichkeit ein Thema, nicht nur deswegen, dass Rigoletto durch
seine Tätigkeit in übertragenem Sinne seine Seele dem
Teufel «verkauft» hat. Zahllose Male wird das Wort
«borsa» verwendet, alles wird gekauft: ein Mord, eine
Dienerin, eine Prostituierte... Nicht einmal in seinem verzweifelten
Aufbegehren gegen die Höflinge vergisst Rigoletto den
«Wert» seiner Tochter: «A voi nulla per l'oro
sconviene,|ma mia figlia è impagabil tesor!» (Für
Gold ist euch nichts zu schade,|doch meine Tochter ist ein
unbezahlbarer Schatz).
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MADDALENA - SPARAFUCILE
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Diese Doppelbödigkeit
zu zeigen,die Psychologie des 19. Jahrhunderts unter dem
historisierenden Mantel, die Abgründe hinter der Pracht des
Hofes, die leidenden Menschen hinter den lustigen Masken, ist das
Ziel dieser Inszenierung.
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Wobei Gilbert Deflo der
Arbeit mit den Sängerinnen und Sängern den grössten
Wert beimisst: in der Oper - was oft vergessen wird - ist die
Substanz des Stückes von der Musik determiniert. Es ist logisch,
dass sie den Interpreten den dramatischen Ausdruck vorgibt und das
Libretto bereits kommentiert. Zum Leben kommt das Werk jedoch erst
durch die szenische Darstellung. Auch in einer bilderreichen,
farbigen romantischen Oper sind es letztlich der szenische Ausdruck
der Darsteller und die Wahrhaftigkeit der menschlichen Beziehungen
auf der Bühne, die die Kraft einer Aufführung
ausmachen. |
CONTE E CONTESSA DI CEPRANO - PAGGIO
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Für Nello Santi hat «Rigoletto» eine
besondere Bedeutung, weil er mit dieser Oper 1951 sein Debüt als
Dirigent gab. In Zürich leitete er Verdis Oper erstmals am 20.
Januar 1960 mit Walter Hesse (Herzog), Willy Ferenz (Rigoletto) und
Farah Afiatpour (Gilda) an der Spitze von zahlreichen Besetzungen;
später folgten zwei andere Neuinszenierungen. Auf der ganzen
Welt dirigierte er «Rigoletto», in New York, auf
Amerika-Tourneen der Met, in den CaracallaThermen, in Verona (wo er
u.a. 1995 seine 25. Saison in derArena eröffnete), in Hamburg
und Genf mit grossen Sängern wie Gobbi, Protti, Reali und
Tagliabue, Manuguerra, Quilico, Cappuccilli und Nucci...
Verändert Nello Santi von Produktion zu Produktion seinen
Zugang? Nein: nicht zu verändern versuche er, sondern zu
verbessern, und das bei jeder Vorstellung. Dabei soll das Manuskript
des Komponisten nicht als die letzte Wahrheit gelten, sonst verkommt
die Aufführung zu einertrockenen Solfeggio-Übung.
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Die «Wahrheit»
ist eine aus vielen Aspekten zusammengesetzte Gesamtheit, bei der zum
Beispiel auch die Zeit ein Faktor sein kann, nicht nur die der
persönlichen Entwicklung, sondern etwa die Distanz, aus der wir
auf ein Werk blicken. Auch die Tradition spielt dabei eine Rolle,
aber nicht die heutzutage meist mit diesem Wort abschätzig
bezeichnete Schlamperei, sondern eine Tradition der
Überlieferung, der Bewahrung des Stils. Schliesslich hat ein
Genre, jede Oper ihren Stil, und den gilt es unbedingt zu
respektieren. Dazu gehören die Kadenzen, die Variationen, die
Fermaten, Atempausen, das Ändern von Worten oder das Anpassen
der Silbenverteilung. Das Grösste an Verdi, meint Nello Santi,
war seine Fähigkeit, an sich selber zu wachsen, sich - mangels
grösserer Konkurrenz - aufgrund seines eigenen Schaffens
weiterzuentwickeln. Und wenn auch vieles in den Frühwerken
vorgegeben ist - so kann man eine Linie vom Monolog Francescos in
«I Masnadieri» (1847) über Rigolettos «Pari
siamo» (1851) bis zu Fords «E sogno? O
realtà?» in «Falstaff» (1893) ziehen -,
legte er doch in seinem Leben einen beeindruckend langen Schaffensweg
zurück.
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«Rigoletto» ist
im Laufe von 30 Jahren und 400 Vorstellungen auch für
Leo
Nucci ein Teil seiner selbst
geworden, wobei am Anfang eine Aufführung steht, in der seine
mit der gemeinsamen Tochterschwangere Frau die Gilda sang! Wie hat
sich sein Verhältnis zu dieser Figur geändert? Vor allem,
meint Leo Nucci, habe sie sich im Laufe der Zeit verinnerlicht; er
habe sich beständig von der effektreichen, äusserlichen
Geste entfernt, konzentriere sich heute bei stets knapperer
szenischer Darstellung immer mehr auf die Suche nach dem Wort in der
Musik - die ja alles enthält: die äusseren wie die inneren
Vorgänge, untermalend und kommentierend. Und schon gibt Leo
Nucci eine ganze Reihe von Beispielen, die bei weitem nicht nur die
Figur des Rigoletto betreffen, und stellt nebenbei unter Beweis, dass
er die gesamte Oper, jede noch so kleine Note, Harmonie,
Orchesterfarbe in- und auswendig kennt.
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ALABARDIERE - USCIERE - MARULLO
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Zum Beispiel der Rigoletto
verfolgende Satz «Quel vecchio maledivami» (Jener Alte
hat mich verflucht): Dreimal singt er ihn in der Szene mit
Sparafucile. Zweimal sind die Noten einfach punktiert - der Satz
dreht sich unablässig in seinem Kopf. Sparafucile geht ab,
Rigolettos Gedanken wenden sich von F-Dur zum helleren C-Dur und
Gilda zu («Ma in altr'uomo qui mi cangio»| Doch hier
werde ich ein anderer Mensch). Dieser Satz geht aber nicht direkt in
das begeisterte Wiedersehens-Duett über. Plötzlich werden
die gehaltenen C-Dur-Akkorde zu pochenden Achteln, dem letzten hat
Verdi gar unvermittelt ein B (die kleine Septime) beigefügt: wie
ein Stich meldet sich das Gewissen zurück, er erschrickt - und
das dritte, bohrende «Quel vecchio» ist doppelt
punktiert... - Das berühmte «Lara lara lara...»
Rigolettos, der im Palast seine Tochter sucht, wird oft frei, mit
Rallentandi und Fermaten gesungen. Verdi hat dieses Trällern
aber «a tempo» geschrieben, die Melodie soll obsessiv
sein, Rigolettos verzweifelte Entschlossenheit zeigen. - Oder der
Sturm, der sich anbahnt: ein Akkord ohne die Terz, ein
unvollständiger Akkord - das Unwetter zieht ja erst auf!
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Viele weitere Details zeugen
von Verdis Genie, der keine Note zufällig setzte. Manches ist
schon unglaublich modern. Man bedenke nur, wieviele Filme noch heute
den Effekt des «a bocca chiusa» summenden Chors
verwenden... Der Gesang Rigolettos, ein eigentliches «recitar
cantando», kein Singen von Arien, vielmehr ein singendes
Rezitieren, ist fortschrittlich und zurückblickend zugleich -
beinahe so, wie es sich die Erf inder der Oper zur Zeit Monteverdis
gedacht hatten. So gesehen ist es nur konsequent, dass die einzige
Figur, die formal mehr oder weniger herkömmliche Arien singt,
der Duca ist, verkörpert er doch die überlieferte,
überholte Ordnung, deren Einfluss sich die anderen zu entziehen
suchen.
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Auf überstürzte
Weise schloss Isabel Rey 1987
in Oviedo mit der Gilda Bekanntschaft: Mit nur einem Tag Prieben
stieg sie in eine Tourneeproduktion von «Rigoletto» ein!
Sofort aber fühlte sie sich äusserst wohl in dieser Rolle,
deren Tessitur wie für sie geschrieben scheint, und spürte,
dass sie für ihre weitere Karriere von grosser Bedeutung sein
würde.
Heute, nach zahlreichen anderen Neuproduktionen, ist
sie so vertraut mit dieser Figur, dass sie sie je nach den
Anforderungen der betreffenden Inszenierung färben kann. Das
Faszinierende an der Gestalt der Gilda ist ja, dass sie einen weiten
Bogen an Gestaltungsmöglichkeiten erlaubt: von der ungehorsamen,
auf den strengen Vater zornigen jungen Frau, bis zum unbefangenen,
unschuldigen Mädchen, das, obwohl ihr Leben lang eingeschlossen,
dennoch die Kraft aufbringt, ihr Leben hinzugeben für den ersten
Mann, dessen Name sie kennt, von dem sie auch genau weiss, dass er
keineswegs der Perfekte ist. Gildas Glück dauert nur einen
kurzen Moment: im Duett mit dem verkleideten Herzog. Schon im Palast,
wo sie sein wahres Gesicht erkennt, ist es vorbei. Die Todesszene
aber, das zarte «Lassü nel ciel», ist Isabel Reys
liebster Moment.
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SERVO - PAGGI
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Piotr
Beczala sang den Duca di
Mantova bereits mehrfach, doch ist dies nun seine erste
«Rigoletto»-Neuinszenierung. Es sei schon ein spezielles
Gefühl, eine Rolle zu singen, die jeder im Publikum auswendig
kennt, auch wenn sie, wenn man eine sichere Technik und eine gute
Höhe besitzt, rein sängerisch wohl nicht zu den
anspruchsvollsten gehört. Man darf sich aber nicht von den
grossen Vorbildern schrecken lassen, sondern muss versuchen, mit den
eigenen Mitteln seine Interpretation, seine Gestaltung zu finden. Wie
Leo Nucci und Isabel Rey betont auch Piotr Beczala, dass Sänger
in «Rigoletto» nicht die Dramatik dieser Musik (z.B. mit
der Grösse des Klangs oder dem Abdunkeln der Stimme) suchen
dürfen, sondern einzig die ihr innewohnende Expressivität.
So sollten auch bei der Figur des Duca, die oft für
eindimensional gehalten wird, die verschiedenen, von Komponist und
Librettist vorgegebenen Seiten herausgearbeitet werden. |
In jedem seiner Auftritte
ist der Duca -wie übrigens auch Mozarts Belmonte - ganz anders
charakterisiert, und dies muss bei der Stimmfärbung und
-führung genauso wie beim Darstellerischen beachtet werden: In
der ersten Szene sehen wir den Duca als selbstbewussten,
prahlerischen Herrscher, der alles haben kann, was er will, für
den Verführung und Liebe ein ewiges Spiel ist. In Gildas Haus
ist er zärtlicher, umwirbt sie sanft, empfindet erstmals etwas
wie wahre Liebe, was ihm in der grossen Szene des 2. Aktes
schmerzlich bewusst wird. Nach dem Moment der Reflexion in
«Ella mi fu rapita» sehen wir im letzten Akt sein
widerwärtigstes Gesicht: hier geht es ihm nur noch um Sex; man
zahlt, tut es und basta. Die für einen Augenblick gefundene
Menschlichkeit ist längst wieder verloren. Nichts finden wir
abstossender. Und doch blicken wir ein wenig bewundernd auf diese
Figur und ihre Verwegenheit, das Unbekümmerte, Strahlende (das
nicht zuletzt von den Tonarten und vom musikalischen Duktus
verstärkt wird) - schliesslich kommt sie ungestraft davon...
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Seinen Widerpart findet
Rigoletto in zwei unheimlichen Figuren: in Sparafucile, einer
der Verdi-Paradepartien von Làszlò Polgàr, und im Grafen Monterone, erstmals gesungen
von Pavel
Daniluk. Jener, «ein
Mann, der für wenig Geld einen Rivalen beseitigt», dessen
Degen Rigoletto in seinem berühmten Monolog «Pari
siamo» mit seiner eigenen Zunge vergleicht, verkörpert
seine Zerstörungswut, den Hass auf die ihn verachtende
Gesellschaft; dieser den im Innersten getroffenen, hilflos
verzweifelten Vater.
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Dass der Herzog an seiner
eigenen Lust um ein Haar zugrundegeht, liegt an den Reizen der
Maddalena von Carmen Oprisanu,
die ihn als Lockvogel umgarnt. Ergänzt wird das Ensemble
schliesslich von Valerly Murga, Bogusraw BidziAski, Giuseppe Scorsin
sowie Mitgliedern des Internationalen Opernstudios.
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