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Debussy und seine Doubles
In Zürich wuchsen Dirigent Franz Welser-Möst und Regisseur Sven-Eric Bechtolf zu einem der wichtigsten Duos des Musiktheaters
von Manuel Brug
Eine ferne Operngalaxie, grauweiß und eiskalt. Hinter einem
ausgeschnittenen Halbkreis bogenförmiges Wellblech und eine Kanzel im Kunstschnee.
Auf die Anzüge der Männer sind Oberflächenschraffuren von Planeten gedruckt.
Stoff, aus dem frösteln machende Märchen sind. So wie das von Pelléas, der
Mélisande, die seltsame Frau seines Halbbruders Golaud, liebt. Debussys symbolistisches
Meisterwerk scheint gegenwärtig im konjunkturellen Auf: Sven-Eric Bechtolf
hat es eben an Zürichs Oper als kühl konzentrierte Kunstübung inszeniert.
Und Franz Welser-Möst dirigiert es in diesem Geist.
Ein so kunstvoller wie knapper, sich dem einfachen Genuß verweigernder
Abend, erstellt von einem der augenblicklich international interessantesten
Musiktheater-Duos neben Peter Konwitschny und Ingo Metzmacher, Jürgen Flimm
und Nikolaus Harnoncourt, Peter Mussbach und Kent Nagano, Marc Minkowsky
und Laurent Pelly. Die beiden haben sich an der Oper Zürich gefunden, in
Alexander Pereiras großem Gemischtwarenladen, der mit dieser Kuppelei endlich
einmal eigenes Profil entwickelt hat.
Nach dem Überraschungserfolg mit Bergs "Lulu" als sadomasochistischer
Zuchtübung im Jahr 2000 (auch schon mit Puppe) ging Bechtolf - zusammen mit
seinem Ausstatterduo Marianne und Rolf Glittenberg, das nach Bondy ebenfalls
einen neuen Regisseur gefunden und zur Oper verführt hatte - nur einmal fremd
- und griff an der Deutschen Oper Berlin mit den komplexen "Hoffmanns Erzählungen"
2002 voll daneben. Heute sieht er das auch so.
Ein Arroganter, ein Schwieriger, der freilich viel Unsicherheit
hinter solchen halbstark-zurückweisenden Gesten verbirgt, ein Unzufriedener
auf der Suche nach dem vollkommenen Theaterglück, das es nie geben kann:
Das ist der 1957 in Darmstadt geborene, in Hamburg aufgewachsene Bankierssohn
Sven-Eric Bechtolf. Als Schauspieler kam er über Zürich, Bochum, zehn Jahre
Thalia Theater Hamburg nach ganz oben. Seit 1998 spielt er am Burgtheater
Wien. Seine Regisseure hießen Breth, Besson, Berghaus, Bondy, Kriegenburg,
Stein, Wilson.
Aber bloß keine Identifikation. Regisseur Bechtolf hält sein
Gegenüber auf Abstand. Und sucht den auch in seinen Musiktheater-Figuren.
Die zeitweilig im Rollstuhl ihre Seinsverkrüppelungen vorführenden Debussy-Protagonisten
sollen in ihrer Traumwelt des Unterbewußten auf Distanz gehalten werden.
Auch mit Hilfe Puppen, auf die alle Gefühle projiziert werden zwischen Liebe
und Haß, Geburt und Tod - Dummies im emotionalen Crashtest. Debussy und seine
Doubles. Zwischen wenigen Requisiten, leeren Aquarien, einem mal weiß, mal
schwarz bezogenen Bett, bleibt alles im Frage- und Schwebezustand, wird zeichenhaft,
wenn die berühmte, von Golaud belauschte Szene im Turm in und auf einem zugefrorenen
Citroen lokalisiert ist. Ein fragil-sprödes Beziehungsgefüge fordert höchste
Aufmerksamkeit. Die auch der Schauspieler Bechtolf fordert. Er war oft der
Außenseiter, der rebellierend Schwierige. Oder - zuletzt als Fiesco, Philipp
II. und Schnitzlers Fabrikant Hofreiter, als Prinz in "Emilia Galotti und,
wunderbar boulevardesk, in Jasmina Rezas "Dreimal Leben" - der gebrochene
Machtmensch, der verwundete Potentat.
Und er wurde doch zum Wertkonservativen, zum enttäuschten Umstürzler,
der kraftvoll ablästerte über den "Qualm, der am Stadttheater aus den Dramaturgien
quillt", über "abartige Gedankengebilde", "biedermeierliche Sozialliberale",
"Meinungsmüll, dahingelallte Zustandsbeschreibungen", der "Respekt, Geduld,
Bildung, Analyse, gesunden Menschenverstand" einfordert.
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