Der «Daily Telegraph» sprach von «triumphant transformation»:
Fast habe die «wahrhaft wunderbare» konzertante Aufführung von «Tannhäuser»
durch das Opernhaus Zürich in London den Rezensenten zu überzeugen vermocht,
dass die Qualitäten des Werks in den letzten Jahren übersehen worden seien.
Der Dirigent Franz Welser-Möst habe seit seiner Zeit mit dem London Philharmonic
Orchestra einen weiten Weg zurückgelegt. Das einmalige Konzert in der Royal
Festival Hall müsse irgendeinen Gnomen in Zürich ein Vermögen gekostet haben.
Indessen lasse der ekstatische Empfang darauf schliessen, dass London denke,
die Ausgaben seien es wert gewesen.
Tatsächlich war der Applaus für Orchester und Chor des Opernhauses
wie auch für die Stars des Abends, Peter Seiffert, Thomas Hampson, Alfred
Muff, Solveig Kringelborn - das Opernhaus gastierte mit der Besetzung der
Wiederaufnahme in Zürich -, so begeistert, wie man das selten sieht und
hört in London. Was indessen das Gastspiel gekostet hat, darüber schweigt
sich Alexander Pereira aus. Fest steht: Es muss sehr teuer gewesen sein,
waren doch über 220 Leute auf Reisen. Aus dem üblichen Topf ist derlei kaum
zu finanzieren, kostendeckend sei die Einladung nicht gewesen, hört man,
also mussten und müssen Sponsoren gefunden werden. Denn dieses Gastspiel
war nur der Anfang einer längeren Zusammenarbeit mit der Royal Festival Hall.
Von nun an soll das Opernhaus Zürich jährlich zwei Opern nach London bringen,
eine grössere und eine kleinere Produktion, wie Alexander Pereira sagt.
Wenige Tage nach «Tannhäuser» war die Aufführung von «Armida» geplant gewesen,
doch die Produktion kam nicht zustande, weil Nikolaus Harnoncourt auf seine
Gesundheit Rücksicht nehmen musste.
Dieses Jahr also nur eine Oper aus Zürich, sie wurde präsentiert
in der Reihe «Classic International» mit Gastspielen renommierter Orchester
wie der Wiener Philharmoniker, der Berliner Philharmoniker, des Royal Concertgebouw
Orchestra Amsterdam und anderer. Alexander Pereira erachtet internationale
Gastspiele als unabdingbar für ein Haus, das zur Spitze gehören will. Sie
forderten das Ensemble heraus und festigten den Zusammenhalt. Das sei attraktiv
für den Dirigenten: «Franz Welser-Möst macht nun eine grosse Karriere in
den USA, und wir müssen sehen, dass wir zu seinem Ansehen beitragen können,
durch Einspielungen auf DVD und durch Gastspiele.»
Zur Vorbereitung wurde die Produktion in Zürich nach 1999
erstmals wieder aufgenommen - mit zwei neuen Sängerinnen, Solveig Kringelborn
als Elisabeth und Liuba Chuchrova als Venus. Das habe keine besonderen Schwierigkeiten
geboten, sagt Franz Welser-Möst: «Die grosse Arbeit liegt bei den Sängerinnen
selbst. Wenn sie zur ersten Probe mit dem Orchester erscheinen, erwarte
ich, dass sie sich ihrer Rolle sicher sind.» Fünf Mal habe er mit dem Orchester
vor den beiden Aufführungen in Zürich geprobt, in London hatte er dreieinhalb
Stunden zur Verfügung: «Wir könnten vielleicht schon mehr proben, aber das
ist eine Kostenfrage.» Eine Probe mehr würde eine Nacht mehr für 220 Beteiligte
fordern. Geprobt wird am Tag vor der Aufführung schnell und nur in Stücken.
Der Saal bietet eine völlig andere Akustik, weshalb die Balance laut Welser-
Möst die grösste Schwierigkeit darstelle: «In der Inszenierung singt der
Pilgerchor beim Auftreten, also müssen die Sänger hier viel, viel leiser
singen.» Es würden die Stellen geprobt, «die schwierig zu organisieren sind».
So hebt Peter Seiffert fröhlich an - und wird gleich wieder zum Schweigen
aufgefordert. Der Chor mindestens spendet ihm Applaus, und der Tenor trägt's
mit Fassung. Drei Stunden später wissen Musiker und Sänger, was zu tun
ist: «Das sind Vollprofis, die sind sich gewöhnt, sich anzupassen.»
Die Vorstellung ist einer der intensiven Momente im Londoner
Konzertleben. Der «Telegraph» ist begeistert, die «Times» gibt sich verhalten,
während der «Guardian» das Spiel zwar schön findet, aber das Wagner'sche
Eintauchen in extravagante klangliche und psychologische Territorien vermisst
und somit das kritisiert, was in Zürich gelobt wurde: die ruhige, unaufgeregte
Interpretation. Vielleicht passiert nun, was sich Alexander Pereira erhofft:
«So kommt womöglich der eine oder andere Konzertbesucher auf die Idee, für
einen Opernabend nach Zürich zu reisen. Schliesslich reisen Opernfans gerne.»
Lilo Weber