OPERNHAUS ZÜRICH

 

 

Kurz und bündig: art-tv Oper

Opernhaus Zürich | DOKTOR FAUST (Oper von Ferruccio Busoni. Libretto von Komponisten nach verschiendenen "Faust" Quellen. Uraufführung: 21. Mai 1925, Opernhaus Dresden) >Kritik als PDF

Synopsis: Handlung: Wittenberg und Parma; ausgehendes Mittelalter
Der Künstler Faust ist in der Krise. Er sieht sein Werk gescheitert. Er wünscht Genie und das Begreifenkönnen der Welt in ihrer Unendlichkeit So lässt er sich widerstrebend auf einen Pakt mit Mephistopheles ein, der ihm aber nur Reichtum, Macht und Ruhm bietet. Faust, der in der Folge seine Anziehung auf Frauen rücksichtslos ausnützt, verursacht nur Tod und Verzweiflung. Als schliesslich die tote Herzogin von Parma ihm ihr ebenfalls totes Kind überreicht, fängt er an zu begreifen, doch beten kann er nicht mehr. Er zieht einen magischen Kreis, in dem er gemäss einer Prophezeiung stirbt. Sein Geist aber lebt in Gestalt eines Jünglings weiter.


Musikalische Höhepunkte: Dichtes, durchkomponiertes Werk. Schlussmonolog des Faust.


Kritik: (SK) Busonis Haupt- und Monumentalwerk stand seit über 30 Jahren nicht mehr auf dem Spielplan der Zürcher Oper, höchste Zeit also, sich wieder einmal dieses Schlüsselwerks des frühen 20. Jahrhunderts zu entsinnen und eine Neuinszenierung zu wagen. Diese wurde bei der Premiere vom Publikum auch sehr freundlich aufgenommen, obwohl sich das Parkett nach der Pause merklich gelichtet hatte. Vielen Premierenbesuchern schien es schwer zu fallen, sich auf weniger vertraute Klänge einzulassen. Doch mit offenen Ohren konnte man sich ganz wunderbarer, polyphoner Musik hingeben. Diese erklang unter dem grossartigen Dirigat von Philippe Jordan, der es meisterhaft verstand, dieser Musik Leben einzuhauchen, den Zuhörer zu verführen und spannungsreiche Bögen zu schaffen. Das Orchester der Oper Zürich lief einmal mehr zur Hochform auf, gestaltete wunderbar subtil, dann wieder – im richtigen Moment – kräftig auftrumpfend. So blieb die Balance zwischen Bühne und Graben stets gewahrt, und die meisten Sänger brachten ihre Texte sehr wortverständlich über die Rampe. Dennoch ist man dankbar, dass nun auch deutsch gesungene Werke übertitelt werden.


Auf der Bühne spielt sich alles sehr getragen ab, Busoni macht es dem Zuschauer nicht einfach, er überlässt vieles seiner eindringlichen Orchestersprache. Diese soll Räume öffnen für eigene Gedanken. Identifikationsfiguren finden wir in dieser Oper nicht, keine Liebenden, keine Leidenden, nicht einmal wirkliche Bösewichte. Selbst Mephistopheles wirkt sprachlich eher harmlos, doch Gregory Kunde vermag durch wenige Fingerzeige und eine eindrückliche Mimik etwas Dämonie in den Abend zu bringen. Zudem überzeugte er musikalisch in der sehr hoch geschriebenen Tenorpartie, inklusive hohem C in der Erscheinungsszene! Die restlichen Figuren dieses Spiels sind – wie meistens in Zürich – sehr gut besetzt. Sandra Trattnigg überzeugt mit wunderbar warmem Sopran als Herzogin von Parma, die einzige Frauenstimme in dieser männerstimmenlastigen Partitur.


Der Regisseur, Klaus Michael Grüber, erzählt uns die Handlung unaufdringlich, auch er lässt dem Zuschauer viel Raum für eigene Gedanken. Auf die klärenden Worte des Dichters ans Publikum und die Einsetzung Wagners als Rektor der Universität wurde verzichtet. Fausts Studierstube ist ein heller Raum, von unzähligen Glasgefässen in allen Farben eingerahmt. Die Szene am Hof von Parma bricht wie ein glitzerndes Puppenspiel in dieses Laboratorium ein. Nach der Pause dann die Schenke in Wittenberg; die bunten Phiolen haben nun dem gesamten Requisitenschrott aus dem Fundus der Oper, sprich der Welt(!), Platz gemacht. Hier spielt auch der etwas harmlos und oberflächlich geratene Religionsstreit, sowie die nicht sehr überzeugend gelöste Erscheinung der Helena. Witzig hingegen der hinter dicken Ästen verborgene Goethe, der dieses Spiel augenzwinkernd zu beobachten scheint.


Bleibt die ungeheuer schwere Titelpartie. Und hier ereignet sich in Zürich nun ein wahrer Glücksfall: Starbariton Thomas Hampson beseelt diese Rolle mit einer Präsenz und gesanglichen Leistung, die ihresgleichen sucht. Während drei Stunden steht er beinahe pausenlos auf der Bühne und zeigt, mit wenigen Ausnahmen an exponierten Stellen im fünften Bild, keine Ermüdungserscheinungen, ja er gestaltet am Ende des Abends noch einen unter die Haut gehenden Schlussmonolog, der mit den Worten ICH, FAUST; EWIGER WILLE, schliesst. Seine sterbliche Hülle (Mantel) bleibt zurück, langsam schreitet er ins Off und die Seelenübertragung ereignet sich - ein nackter Jüngling schreitet der Stadt zu. Busoni konnte sein Werk nicht selbst vollenden. Zürich wählte den von seinem Schüler Jarnach erstellten Schluss. Mephisto stolpert über Fausts sterbliche Hülle und fragt sarkastisch: Sollte dieser Mann verunglückt sein? Das Werk endet mit ergreifenden es-Moll Akkorden. (Seit 20 Jahren existiert ja noch eine andere Fassung, die in C-Dur Chören die Reinkarnation von Faust besingt; beide Ansätze haben was für sich.)

Fazit: Interessante Begegnung mit einem atmosphärisch dichten, wichtigen Werk der Opernliteratur; Hampson singt einen überwältigenden Faust.

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