OPERNHAUS ZÜRICH PROGRAMM

 

PROGRAMMBUCH

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DAS PROGRAMMBUCH
DES OPERNHAUSES ZÜRICH


18 FARBIGE BÜHNENFOTOS



JÜRGEN FLIMM

LA GRANDE-DUCHESSE DE GÉROLSTEIN


DAS LEITUNGSTEAM IM GESPRÄCH

GÉROLSTEIN IST ÜBERALL


OSCAR BIE

HOMMAGE À JACQUES OFFENBACH


ARNOLD HAUSER

DAS ZWEITE
KAISERREICH UND DIE OPERETTE

TRADUZIONE IN ITALIANO



RONNY DIETRICH

JACQUES OFFENBACH
SPIEGEL UND EULESPIEGEL SEINER ZEIT



LIBRETTO AUF FRANZÖSISCH
DEUTSCHE ÜBERSETZUNG: RONNY DIETRICH
DIALOGFASSUNG: JÜRGEN FLIMM






COPYRIGHT: BY CLÄRCHEN UND MATTHIAS BAUS, BERG.
GLADBACHER STRASSE 965, DE-51069 KÖLN-DELLBRÜCK
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DAS LEITUNGSTEAM IM GESPRÄCH

GÉROLSTEIN IST ÜBERALL

Am 1. April 1867 eröffnete Kaiser Napoleon III, die 2. Pariser Weltausstellung; 32 Nationen stellten ihre Produkte in dem von Frédéric Le Play entworfenen Ausstellungsgebäude auf dem Marsfeld aus. Acht Galerien nahmen die Waren auf, wobei ein äusserer, offener Umgang mit Cafés und Restaurants zu dem hinzugewonnenen Park überleitete. Die zweite und grösste Galerie war den Maschinen vorbehalten. Durchschritt man die Galerien des ovalen Baus in der Längsrichtung, so konnte man die Beiträge zu einer Warengattung aus allen Nationen vergleichen und wurde wieder zum Ausgangspunkt zurück geführt. Wollte man dagegen die gesamte Produktion eines Landes sehen, so genügte es, einen Sektor des Ovals zu besuchen. Auf diese Weise war eine übersichtliche und unparteiische Aufstellung möglich. Die Ausstellung wurde zu einem ununterbrochenen Fest, das dn ganzen Sommer hindurch dauerte; bis tief in die Nacht hinein waren die Hallen geöffnet, und in dem angrenzenden Park sah man Besucher beim Schein elektrischer Bogenlampen ausschwärmen, während die orientalischen Pavillons einen fremdartigen Zauber verbreiteten. Die unglaublichsten Dinge wurden den zehn Millionen Besuchern gezeigt: ein siamesischer Elefant, Krupps «Grosse Kanone», eine Maschine, die man mit Kaninchenfellen futterte und die dann fertige Filzhüte ausspuckte, und andere Kuriositäten. In einer erstmals eigens der menschlichen Arbeit gewidmeten Schau äusserte sich das neu entstehende demokratische Bewusstsein.

Sehenswert war aber auch das Neue Paris, das von Baron Haussmann im Auftrag Napoleons in den letzten Jahren errichtet worden war: mehr als 15.000 alte Häuser waren zerstört und durch 24.000 neue Gebäude ersetzt worden. Neu entstanden waren etwa 200 Boulevards und Strassen, 8 Kirchen, 80 Schulen, 2 Brücken sowie Bahnhöfe und Zentralhallen. Die Grosszügigkeit und Grossartigkeit, mit der diese radikale Umwandlung vollzogen wurde, dienten unter anderem dem Zweck, die Elendsquartiere verschwinden zu lassen, zum einen, weil sie ungesund waren, zum anderen weil sie radikalen Elementen als Zufluchtsstätte dienten und den Bau von Barrikaden begünstigte. Der Kaiser wollte sich auf kein Risiko einlassen und die Ausstellung wurde zum Höhepunkt und zur Apotheose des Zweiten Kaiserreiches: «Noch nie war eine Stadt von einer so gewaltigen und überschäumenden Lebensfreude besessen, noch nie eine Stadt so von Stolz und Übermut berauscht, von einem so masslosen Festestaumel ergriffen, wie jetzt Paris!» notierte ein Chronist.

Noch einmal wurden alle Register gezogen, um das politische Grollen, das sich in das glänzende Feuerwerk mischte, zu übertönen. «Fest des Friedens» nannte der Kaiser diese Demonstration der französischen Vormachtstellung in Kunst und Wissenschaft, Industrie und Handel - und verschloss damit noch einmal seine Augen vor der Wirklichkeit.

Wie Napoleon III. erlebte auch Jacques Offenbach im Ausstellungsjahr 1867 den Höhepunkt seiner Karriere. Zusammen mit seinen kongenialen Librettisten Ludovic Halévy und Henri Meilhac konnte er schon mit dem im Hinblick auf die Weltausstellung geschriebenen «La Vie Parisienne» im Oktober 1866 einen Sensationserfolg verbuchen - keine Hofsatire auf mythologischer oder historisch verbrämter Folie mehr wie die vorausgegangenen Offenbachiaden, sondern ein musikalischer Reiseführer, der die wichtigsten Schauplätze und Situationen des mondänen Paris vorführt. Und nur dem hellhörigen Zuschauer wird aufgefallen sein, das in keiner anderen Offenbach-Operette bisher so viele Feste gefeiert wurden, der Rausch intensiviert werden musste, um alles zu betäuben - etwa die Vorahnung einer gar nicht so unbedenklichen Zukunft im Lied der kleinen Handschuhmacherin. «La Vie Parisienne» ist ein grosser, ein gewaltiger Erfolg, vielleicht unser grösster» notierte Halévy; doch da sollte er sich irren.

Zwölf Tage nach der Eröffnung der Weltausstellung hebt sich der Vorhang im Théâtre des Variétés zu der mit grösster Spannung erwarteten Uraufführung von «La Grande-Duchesse de Gérolstein». Gerüchte waren im Umlauf, die Handlung sei nur auf Veranlassung der Zensoren nach Gérolstein verlegt worden, jenen deutschen Kleinstaat, den Eugene Sue für seinen damals allseits bekannten Roman «Mystères de Paris» erfunden hatte; in Wahrheit verspotte die neue Operette die Amouren Katharinas II. und den russischen Hof. In der Tat gab es im Vorfeld der Premiere Ärger mit der Zensur, die aufgrund der zahlreich zu erwartenden gekrönten Häupter, darunter Katharinas Urenkel Zar Alexander II., extrem nervös reagierte. Das ursprünglich nur «La Grande-Duchesse» betitelte Werk musste also lokalisiert werden, wenn auch nur in einem Fantasieland. Misstrauen weckte auch die Aussage des von der Grossherzogin zum General beförderten Soldaten Fritz, er habe «den Krieg in achtzehn Tagen gewonnen», also genau jene Zeitspanne, die die preussische Kampagne in Anspruch genommen hatte, die mit Moltkes Sieg über die Österreicher bei Königgrätz endete. Da auch der König von Preussen die Ausstellung mit Bismarck und Moltke besuchen würde, mussten die «achtzehn Tage» auf «vier» verkürzt werden.

Erstaunlich dagegen, dass die Begründung für den Krieg, den in der Operette die Gérolsteinschen Truppen gegen einen anderen Zwergstaat führen, nicht beanstandet wurde. Er sei - so einer der Minister der Grossherzogin - notwendig, um die Herrscherin von anderen Gedanken abzulenken, die die Machtposition ihrer Ratgeber schwächen oder gar stürzen könnte. Überliefert ist der Kommentar eines politischen Beobachters, Halevys unehelicher Halbbruder Prévost-Paradol, der die in Frankreich herrschende Furcht vor einem neuen Krieg als dem Kaiser durchaus willkommen bezeichnete angesichts der sich ausbreitenden liberalen Bewegung: «Der Gedanke, die Geister mittels des Krieges zu zerstreuen und sie durch Hoffnung auf eine territoriale Vergrösserung abzulenken, ist leider nur zu natürlich, und jeder weiss, dass es am häufigsten absolute Regierungen sind, denen sich dieser Ausweg aus einer schwierigen Situation wie von selbst anbietet.»

«Wir nehmen» - so notierte Halévy in seinem Tagebuch - «den Krieg aufs Korn, den Krieg, der vor unseren Toren steht. «Das Autorentrio zeigt den Krieg als Gesellschaftsspiel, als Mittel gegen Langeweile und zur-Befriedigung persönlicher Machtgelüste und keiner im damaligen Paris wollte sich diese Satire auf Militarismus und Günstlingswirtschaft entgehen lassen. Erstaunlicherweise vor allem nicht jene, die darin Zielscheibe des Spottes und der Ironie waren: die Generalität, die fürstlichen und diplomatischen Durchlauchtigkeiten; ausgerechnet sie waren die eifrigsten Besucher der «Grande-Duchesse de Gerolstein». Unter den 57 gekrönten Häuptern befanden sich neben dem Kaiser, der die Vorstellung mit seinem Hof gleich zwölfmal besuchte, die Könige von Bayern, Belgien und Portugal, der Prince of Wales, der russische Zar samt seinem Thronfolger, der Vizekönig von Ägypten, der Sultan der Türkei sowie der Bruder des Kaisers von China. Besonderen Gefallen soll Fürst Otto von Bismarck an der «Grande-Duchesse» gefunden haben, denn der darin zur Schau gestellte militärische Geist ebenso wie die ins Lächerliche gezogene deutsche Kleinstaaterei waren ganz in seinem Sinne. Die alles in den Schatten stellende Begeisterung für dieses Werk fand erst mit dem Krieg von 1870/71 ein jähes Ende.

Bei der Uraufführung allerdings sahen sich die Autoren in ihren Erwartungen zunächst enttäuscht. Zwar war das Publikum - wie Halévy notierte - ab dem Auftritt von Général Boum «wie in Ekstase und blieb es bis in die Mitte des zweiten Akts. Was für ein Anfang! Zu gut, um wahr zu sein! Wir spürten, dass wir von diesem Erfolg begeistert und zugleich geängstigt waren. Wir hatten allen Grund zur Angst. Der 'Carillon de ma grand-mere' [das ursprüngliche Finale des 2. Aktes] versetzte der Begeisterung eine kalte Dusche, und der dritte Akt mit der Segnung der Dolche und den Schleifsteinen (die waren schrecklich!) waren nicht dazu angetan, die gute Laune des Publikums wieder herzustellen. Die Vorstellung ging eine halbe Stunde nach Mitternacht zu Ende... ob gut oder schlecht war schwer zu sagen. Sogar gewiegte Theaterleute waren im Zweifel. War es ein grosser Erfolg? ein mittlerer? ein Durchfall? Die Meinungen waren geteilt, unsere Freunde wussten nicht, was sie uns sagen sollten. «Für den versierten Theatermann Offenbach aber war klar, dass er Änderungen anbringen musste: «Ich werde einige kleine Striche machen», teilte er seinen Librettisten mit.

Für Offenbach - so Nikolaus Harnoncourt -war ein Stück erst bei der Uraufführung fertig, oder fast fertig wie im Falle der «Grande-Duchesse», denn er hat auch die Reaktionen auf eine Première noch mit berücksichtigt und unter Umständen nochmals Änderungen angebracht. Noch kurz vor der Uraufführung war eine den Gang der Handlung aufhaltende Gesangsnummer im dritten Akt der Schere zum Opfer gefallen, gravierendere Änderungen folgten nun. Das von Halévy monierte, langatmige zweite Aktfinale, in dem die Hochzeit von Wanda und Fritz mit einem grossen Chor und einem Couplet der Grossherzogin notariell vollzogen wird, wurde einschliesslich des abschliessenden «Carillon» kurzerhand eliminiert. Halévy: «Aber wie wird man den Carillon los? Er beendete den zweiten Akt, er beendete ihn schlecht, aber... ein Akt braucht schliesslich ein Ende. Anfangs war uns die Sache unausführbar erschienen, nach zwei Stunden Überlegung hatten wir jedoch die Lösung: das Wiederauftreten der Grossherzogin nach dem Verschwörertrio und die Wiederholung des Trios als Quartett. Diese Änderung wurde bei der dritten Aufführung eingeführt. Welch eine Wirkung! Sie war stärker als die des ersten Aktes. Wir waren gerettet...» Auch die «Dolche und Schleifsteine» - eine Parodie auf die «Schwerterweihe» aus Meyerbeers «Les Huguenots» - waren in der dritten Aufführung verschwunden und so trat «La Grande-Duchesse» ihren Siegeszug an.

Auch wenn die letztendliche Gültigkeit einer Werkgestalt bei Offenbach nicht mit absoluter Sicherheit zu ermitteln ist - bekanntlich lag ihm gerade der «Carillon» besonders am Herzen - hat sich Nikolaus Harnoncourt für diese dritte Pariser Fassung als eigentliche Urfassung entschieden, die Offenbach auch dadurch legitimierte, dass «La Grande-Duchesse» in dieser Gestalt unter seiner Aufsicht gedruckt wurde. Nikolaus Harnoncourt:

Es gibt nicht viele Offenbach-Partituren, die er selbst wirklich ausgeschrieben hat, da sie quasi während der Arbeit entstanden sind. Ich habe eine so grosse Hochachtung vor ihm, dass ich ein von ihm vollendetes Werk, ähnlich wie bei Mozart, schon deshalb für grossartig halte, weil es von ihm ist. Es ist nicht leicht festzustellen, welches Stadium des Werkes er sich wirklich gewünscht hat. Man könnte sagen: die letzte Fassung ist die richtige, aber das ist nur eine Behauptung. Vielleicht hatte er gerade einen schlechten Bassgeiger gehabt und deshalb eine schwere Stelle vereinfacht. Die Frage, was Offenbach wirklich wollte, ist mit unserem heutigen Werkbegriff eigentlich nicht lösbar, denn Offenbach hat einen solchen Werkbegriff nicht gehabt. Wenn er nach Kämpfen mit den Pariser Behörden ein grösseres Theater bekommen hat, brachte er gleich wieder Änderungen an bestehenden Werken an. Und als seine Werke in Wien aufgeführt wurden, hat er wieder alles geändert, der neuen musikalischen Umgebung angepasst. Er hat das gesamte Orchester verändert, den Bläsersatz vervielfacht, wodurch der Klang ein vollkommen anderer wurde. Aber natürlich ist das kein Freibrief. Ich gehe da möglichst genau auf den Punkt. Und natürlich stellt sich immer die Frage nach der Aktualität eines Werkes für uns heute. 'La Grande-Duchesse' bleibt aktuell, solange es aufgeblasene Militärs gibt, solange es eingebildete Menschen gibt, die sich auf Grund von irgendwelchen erworbenen Reichtümern gesellschaftlich etwas herausnehmen. Wir können das in jeder Berufssparte in jeder Zeit finden, wahrscheinlich geht das ewig weiter. 'La Grande-Duchesse de Gerolstein' bleibt in ihrer Schärfe aktuell; man merkt sofort, wer da gemeint ist, zu jeder Zeit. Die Figuren haben damals ihre Namen und ihre Treffsicherheit gehabt, aber die Generale Boum, die Prinzen Paul, die Wandas und die Grossherzoginnen, die gibt es immer. Wir können uns nicht zurücklehnen und sagen: Das war damals so und Gott sei Dank ist das jetzt anders. Ja, es war damals so, aber was das Stück so toll macht, ist, dass es heute noch genauso entlarvend ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Fachmann sofort sagt, der Soldat Fritz war damals der Herr Sowieso und mit dem General Boum war der und der gemeint. Das ist eine sehr interessante Forschungsarbeit, das festzustellen. Nur sind wir ja nicht so interessiert an dem Herrn General von Napoleon III., aber an Tommy Franks sind wir sehr wohl interessiert. Setzen Sie den Boum vor die Schalttafel mit den Atombomben, dann drückt er auch auf die Knöpfe. Denn es wird gemetzelt, auch von den genialen Kriegsleuten, und dafür ist der Boum ein sehr gutes Beispiel. Also: Alles in der 'Grande-Duchesse' hat doppelte und mehrfache Böden.

Jacques Offenbachs «La Grande-Duchesse» endet mit den Worten «Ainsi finit la comédie», die Regisseur Jürgen Flimm gleichsam als Motto seiner Inszenierung voranstellt. Denn nicht nur diese Operette findet damit ein Ende, sondern das Genre der Offenbachiade an sich. Weder «La Périchole» (1868) noch «Les Brigands» (1869) fanden grossen Widerhall beim damaligen Publikum, zumal nach der am 19. Juli 1870 erfolgten Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland die Carabinieri, die in «Les Brigands» zwar immer zu spät kommen, mit ihrem Stiefelgetrappel aber latent die Szene beherrschen, grausame Wirklichkeit wurden. Waren es in den vorangegangenen Offenbachiaden zumeist reale Persönlichkeiten, die Offenbach zu Operettenfiguren umgewandelt hatte, so wurden nun umgekehrt seine Gestalten gleichsam lebendig. Nur lachte jetzt keiner mehr über sie. Als gebürtiger Preusse wurde Offenbach von der französischen Presse heftig angegriffen; man warf ihm vor, immer ein überzeugter Preusse gewesen zu sein und zitierte seine 1848 in Köln vertonten patriotischen Kampflieder. Von deutscher Seite hagelte es nicht weniger Beschimpfungen; man erinnerte an sein 1862 für Napoleon geschriebenes Lied «Gott schütze den Kaiser» und bezeichnete ihn als Verräter an der deutschen Sache. Das Pariser Kulturministerium erliess ein Verbot gegen «La GrandeDuchesse de Gerolstein», man warf ihr «Wehrkraftzersetzung» vor.

Krieg in Gerolstein: das ist Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln - ein jederzeit brisantes Thema, das zur Aktualisierung verleiten könnte. Das aber wäre gerade nicht im Sinne Offenbachs, dem sich Jürgen Flimm dank den gemeinsamen rheinischen Wurzeln verbunden fühlt, und auch in «La Grande-Duchesse» blitzen immer wieder musikalische Wendungen auf, die ihn stark an Kölner Weisen erinnern. Reiz und Witz der Offenbachiaden liegen für den Regisseur vielmehr darin, dass es dem Komponisten immer wieder gelungen ist, polemische Inhalte, die ihm seine Librettisten lieferten, so kunstvoll zu verpacken, dass ihnen nicht das gleiche Schicksal widerfuhr wie vielen moralisierenden Sprechstücken jener Zeit, die gar nicht erst die Zensur passierten. Dass auf der Folie seiner Musik, deren Wirkung er genauestens abzuschätzen wusste, alles erlaubt war, beinhaltet zugleich die Unmöglichkeit, provokative politische Anzüglichkeiten tatsächlich ins Bewusstsein der Zuhörer dringen zu lassen. Nur wenige erkannten, was wirklich gespielt wurde und wandten sich unter Vorschieben fadenscheiniger Gründe gegen diesen «öffentlichen Schädling, den man hinter dem Souffleurkasten erwürgen muss wie ein bösartiges Tier» (Emile Zola) oder sie machten guten Miene zum bösen Spiel, um sich - als von der Kritik Betroffene - keine Blösse zu geben. Und so steht auch in seiner Inszenierung die Freude am Spielwitz mit ironischen bis sarkastischen Untertönen im Mittelpunkt, die er mit Bühnenbildnerin Annette Murschetz nicht im Görolsteinschefl Feldlager, sondern in einem anderen «Lager»-Raum angesiedelt hat. In einer Art Requisitenlager mit ausrangierten Möbeln, Puppen und sonstigen Gerätschaften entwickelt sich das Spiel, dessen Beteiligte erst von der Musik zum Leben erweckt werden und mit deren Ende auch wieder ausgedient haben. Annette Murschetz rückt die Musik auch optisch ins Zentrum, indem der Bühnenraum sich rund um den Orchestergraben zieht.

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