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25. November 2002, 02:08, Neue Zürcher Zeitung

Cancan und Revolution, Liebe und Verfall

Spoerlis Offenbach-Ballett «La belle vie» im Opernhaus Zürich

Als Heinz Spoerli vor fünfzehn Jahren in Basel ein abendfüllendes Handlungsballett mit dem Titel «La belle vie» zu Musik von Jacques Offenbach ankündigte, erwartete man eine Ballettoperette im Sinne der «Vie parisienne», eine hübsche Erinnerung an die Belle Epoque. Das Erstaunen war gross, dass der Choreograph diese Belle Epoque gleichsam nur als Kulisse benützte für ein Tanzwerk, das näher beim Tanztheater als bei der Operette angesiedelt war und zusammen mit rauschhaftem Cancan auch Verfall und Revolution auf die Bühne brachte.

Geschichte einer Bürgerfamilie

Auch jetzt, bei der Premiere der Neueinstudierung im Zürcher Opernhaus, hat das Werk Staunen und Begeisterung ausgelöst. So sozial- und zeitkritisch wie die Programmartikel vermag das Ballett natürlich die Epoche nicht zu analysieren. Aber Spoerli zeigt doch neben der auf der Bühne gefeierten Cancanseligkeit im Paris des zweiten Kaiserreiches auch die Brüchigkeit der grossbürgerlichen Kultur in ihrer Gefährdung durch Doppelmoral, Börsencrashs und Revolution; er zeigt dies als abwechslungsreiche Bilderfolge, die von Martin Rupprecht ausgestattet wurde, mit Kostümen, die spielerisch bunt die Vielzahl der im Spiel erscheinenden Typen charakterisieren. Bildmächtig werden die Schauplätze gezeichnet: üppig das Nobelbordell, nüchtern der Ballettsaal, kühl unpersönlich das Speisezimmer der reichen Familie, abstrahierend der Boulevard. Der Zwischenvorhang aber gibt in photographischem Realismus eine Strassenszene aus der Revolutionszeit wieder.

Denn die Revolution ist der innere Motor des Stückes: im Ballettsaal, wenn die unbeaufsichtigte Klasse Cancan auf der Spitze tanzt, auf der Strasse in den beiden Revolutionsbildern, die, begleitet von Piafs durchdringendem «a ira», das Stück eröffnen und abschliessen. Zu Beginn steht in mannshohen Buchstaben der Titel des Balletts auf der Bühne, im Kampf fällt «La belle vie» mit den Toten in den Dreck der Strasse. Spoerli kann szenisches Geschehen unmittelbar zur sinntragenden Aussage verdichten. Doch gelingt ihm das nicht durchgehend. Er erzählt zwar unmittelbar verständlich die Geschichte der Bürgerfamilie, die im finanziellen Ruin auseinander bricht, aber zum Teil in flachen, klischeegetränkten Ballettfloskeln, die allzu fühlbar werden lassen, wie sehr die Geschichte in ihrer plakativen Zuspitzung immer wieder einem rührseligen Dreigroschenroman nahe kommt.

Aber diese Geschichte gibt dem Stück anderseits eine klare Verlaufsstruktur, die in der Aufführung allein schon wegen der fliessenden Bewältigung ihres formalen Ablaufes Bewunderung verdient. Denn nahtlos gehen die Szenen ineinander über. Eine abwechslungsreiche Zusammenstellung verschiedenartiger Kompositionen von Offenbach verleiht der Handlung zusätzlich musikdramatische Struktur. Im Salon spielen zwei Celli, in der Ballettschule ein Klavier, in der verarmten Familie das Akkordeon. Das Geschehen ausserhalb des intimen Rahmens aber und im Rausch der Gefühle wird vom Orchester begleitet. Der Dirigent Nicolas Chalvin lässt es rhythmisch pointiert, einschmeichelnd und zündend schmissig musizieren.

Vielfältige Stilmittel

Vielfältig sind auch die choreographischen Stilmittel, die Spoerli einsetzt. Der Cancan erhält den ihm gebührenden Platz, die Frauen wirbeln und kreischen, und die Herren verlieren ihre fracksteife Pseudowürde, dass es eine Freude ist. Als Ballettklasse entfaltet die Truppe virtuos ihr stupendes Können, wie dies auch François Petit und Nicolas Blanc als unermüdlich sprungfreudige Kellner tun. Spoerli lässt nur einzelne Szenen und Charaktere zu grosser Tanzgestaltung werden. Andere bleiben matt, wie die beiden reichen Töchter, deren Weg zur Revolutionärin beziehungsweise zur Kurtisane nur äusserlich vorgeführt, nicht von innen entwickelt wird. Doch erhält dies durch Ana Quaresma und Marine Castel sicher umrissenes darstellerisches Profil. Tänzerischen Glanz entfalten sie im Bereich des Ballettes.

Zum Höhepunkt aber werden zwei grosse Zwietänze. Nach dem Ruin versuchen Vater und Mutter vergeblich, sich wieder zu finden. Sabine Mouscardès zeigt eine Frau, unter deren herber Verhaltenheit tiefe Sehnsucht glüht, Dirk Segers einen Mann, der nicht mehr die Kraft hat, seine Frau zu halten. Ihr verzweifeltes Scheitern ist ebenso berührend wie das Zusammenfinden der reifen Ballettlehrerin und des pubertären Sohnes. Karine Seneca und Mateo Klemmayer zeichnen erfüllt in jedem Detail Spoerlis Bild einer Begegnung nach, in der beide Partner die liebende Vereinigung zugleich fürchten und suchen, bevor sie sich in ihrem Glück finden, das wie «la belle vie» und der Rausch des Cancans so schnell wieder verfliegen wird.

Richard Merz

 

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